Es gibt eine geheime Welt, die in dieser verborgen ist.

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Das Leben, das wir führen, und das Leben, das wir wünschen

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Diese Welt, die so genannte “wirkliche Welt” ist nur eine Fassade. Zieh den Vorhang zur Seite und du wirst merken, dass die Bibliotheken voller Ausreißer*innen sind, die Romane schreiben, dass sich auf den Autobahnen lauter Flüchtende und Sympathisant*innen tummeln, dass all die Sekretär*innen und vernünftigen Eltern an ihren Ketten zerren und nach einer Chance suchen, um zu zeigen, wie lebendig sie noch sind… Und all das Geschwätz über “Sachlichkeit” und “Verantwortung” ist nur eine Drohung und ein Bluff, damit wir nicht wagen unsere Hände nach der anderen Welt auszustrecken, die so nah vor uns liegt.

Es gibt eine geheime Welt, die in dieser verborgen ist.

Du kannst sie im ungestümen Aufbäumen deines ersten Kusses schmecken oder in dem Blut, das nach einem plötzlichen Unfall in deinen Mundwinkel fließt, wenn du begreifst, dass du gerade nur knapp dem Tod entronnen bist. Du kannst sie in den Windböen spüren, die dir in einer Nacht voller Abenteuer auf den Häuserdächern einer Stadt um die Ohren pfeifen. Du kannst sie im Zauber deines Lieblingslieds hören, wie es dich bewegt auf eine Art, die keine Wissenschaft messen kann. Es kann sein, dass du einen Beweis für sie auf einer öffentlichen Toilette gefunden hast, eine in die Klotür eingeritzte geheime Botschaft, die du nicht entschlüsseln kannst. Oder dass du einen Hinweis auf sie in der blassen Projektion der Kinofilme gesehen hast, die dafür gemacht sind uns bei Laune zu halten. Sie schwingt in unseren Erzählungen mit, wenn wir von unseren Lüsten und Sehnsüchten sprechen, die immer noch hinter den Mauern unserer “pragmatischen” und “realistischen” Lebensweise lauern.

Wenn Dichter*innen und Aktivist*innen bis zum Morgengrauen wach bleiben und ihre Hirne zermartern, um die perfekte Zusammenstellung von Wörtern und/oder Umsetzung von Aktionen zu finden, die das Feuer in die Herzen (und Städte) tragen, dann versuchen sie nichts anderes als einen versteckten Eingang in sie zu finden. Wenn Kinder aus dem Fenster klettern und spät nachts durch die Nachbarschaft streifen, wenn Freiheitskämpfer*innen nach den Schwächen in den Festungen der Regierung suchen, wenn Teenager eine Reklametafel zerstören um sich die ganze Nacht Verfolgungsjagden mit den Bullen liefern zu können, wenn Anarchist*innen den geordneten Ablauf einer Demonstration stören und die Schaufenster einer Firmenkette entglasen, dann versuchen sie alle ihren Eingang zu stürmen.

Wenn du Sex hast und neue Gefühle und Körperregionen deines/deiner Liebhaber*in entdeckst, und ihr beide fühlt euch wie Forscher*innen, die neue Weltteile entdecken, die einer Wüstenoase oder der Küste eines unbekannten Kontinents ebenbürtig sind, dann entwerft ihr ein Bild ihres Gebiets.

Es ist bestimmt keine sicherere Welt als diese hier – im Gegenteil ist es das Empfinden der Gefahr dort, dass uns wiederbelebt: Das Gefühl, dass wir für einen Augenblick, der die Vergangenheit und Zukunft umschließt, wirklich etwas riskieren.

Vielleicht bist du irgendwann mal durch Zufall auf sie gestoßen und warst begeistert davon, was du da gefunden hast. Die alte Welt war hinter dir und in dir zersplittert und kein*e Wissenschaftler*in konnte sie je wieder zusammensetzen. Alles davor wurde unwichtig, irrelevant und lächerlich als die Horizonte sich plötzlich erweiterten und sich neue vorher unvorstellbare Wege öffneten. Und vielleicht hast du dir geschworen, dass du niemals wieder in die alte Welt zurückkehren würdest, dass du dein ganzes restliches Leben hier leben würdest, aufgeladen von der Lust am Abenteuer und der Veränderung. Aber natürlich bist du wieder dorthin zurückgekehrt.

Der gesunde Menschenverstand prügelt uns ein, dass diese Welt nur immer kurzfristig erlebt werden kann, dass es nur der kurze Moment der Veränderung ist und nichts weiter. Aber die Legenden, die wir uns an den Lagerfeuern erzählen, sprechen von ganz anderen Geschichten: Wir hören von Menschen, die sich für Wochen und Monate dort aufhielten, Menschen, die niemals von dort zurückgekehrt sind, die dort als Held*innen lebten und starben. Wir wissen, dass diese geheime Welt nah ist und auf uns wartet. Wir fühlen es in dieser atavistischen Kammer unserer Herzen, die die Erinnerung an die Freiheit schon lange vor unserer Zeit in sich trägt. Du kannst es im Aufblitzen unserer Augen erkennen, in der Leidenschaft unserer Tänze und Liebschaften, in dem Protest und der Party, die außer Kontrolle geraten.

Du bist nicht der/die einzige, der/die versucht, sie zu finden. Wir sind auch hier draußen… einige von uns warten auch auf dich. Und du sollst wissen, dass alles, was du jemals getan oder überlegt hast zu tun, um dorthin zu gelangen, nicht verrückt, sondern wunderschön, würdevoll und notwendig ist.

Revolution ist einfach die Vorstellung davon, dass wir diese Welt betreten können und nie wieder zurückkehren müssen. Oder besser gesagt: Dass wir die alte niederbrennen können um die Welt darunter zum Vorschein zu bringen.