»Solidarität mit der Polizei!«

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Über die Ausreden, die die Polizeigewalt in Hamburg legitimieren sollen.

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Solidarität mit der Polizei beim G20

Wenn die Regierung 20.000 Polizist*innen in einer Stadt versammelt, um Demonstrationen mit Gewalt zu unterdrücken und die Menschen sich in Reaktion darauf verteidigen, braucht es schon eine ordentlich faschistoide Grundhaltung, um zu argumentieren, dass das Problem der »Linksextremismus« ist. Dies ist schierer Opportunismus. Die verwendete Strategie ist einfach: verbreite Angst, terrorisiere die Bevölkerung und wenn es jemand wagt Widerstand zu leisten, dann verwende dies als einen Vorwand, um noch mehr gewalttätige Repression zu fordern. Jede*r, die*der in Hamburg war, weiß, dass es die Polizei war, die zuerst zugeschlagen hat, als sie fast eine Woche vor Beginn des G20-Gipfels grundlos Übergriffe durchführte.

Sicher, einige Anarchist*innen und andere Gegner*innen des Totalitarismus waren von außerhalb angereist, um die lokalen Vorbereitungen gegen den G20-Gipfel zu unterstützen. Viele Menschen betrachteten es als ungerecht, dass der Gipfel einer Stadt aufgezwungen wurde, die ihn nicht wollte – ein typisches Beispiel dafür, wie das Regelwerk der G20 unwilligen Bevölkerungen aufgezwungen wird. Und nachdem mensch die Polizeiarbeit während des G20 sehen konnte, wer könnte es jemandem übel nehmen, Solidarität mit den Bewohner*innen Hamburgs zeigen zu wollen?

Aber – hätten tausend »Linksextremisten«, bewaffnet mit nichts als den Steinen unter ihren Füßen, 20.000 von Kopf bis Fuß gepanzerte und mit Wasserwerfern ausgerüstete Polizist*innen besiegen können? Selbstverständlich nicht. Es brauchte zehntausende von Menschen, um die Polizei zurückzudrängen – und eine große Anzahl von ihnen waren Hamburger Bürger*innen, und keine »Linksextremisten«. Auch wenn einige Menschen mit der Absicht zu den Demonstrationen gekommen waren Dinge zu zerstören, konnte sich die Lage nur so weit zuspitzen, weil so viele »normale Menschen« mitgemacht haben.

Viele der Menschen, die an den Kämpfen in Hamburg teilgenommen haben, sind nicht als erklärte Gegner*innen der Polizei zum G20 gekommen. Erst als sie die Gewalt und das unfaire Verhalten der Polizei am Donnerstag, den 6 Juli sahen, verstanden sie, dass sie sich für eine Seite entscheiden mussten. Deshalb war der Widerstand am Freitag, den 7. Juli, in der zweiten Nacht der Zusammenstöße so viel stärker. Samstag Nacht, am Ende des 8. Juli, hatten die meisten Aktivist*innen bereits die Straßen verlassen und nur die Hamburger*innen, die in den vorangegangenen 48 Stunden in den Konflikt gezogen worden waren, blieben noch übrig.

Trotz all dessen versuchen Politiker*innen, Mainstreammedien und Rechtspopulisten die Reaktionen, die durch die unbarmherzige polizeiliche Repression hervorgerufen wurden, zu verwenden, um eben diese Repression im Nachhinein zu rechtfertigen. Der Bürgermeister Hamburgs Olaf Scholz ging sogar so weit zu behaupten, dass es keine Polizeigewalt gegeben habe. Sie lügen dich unverblümt an: zynischer weise gehen sie davon aus, dass du nicht in Hamburg warst und dass du alles glauben wirst, was sie dir erzählen. Zum Beispiel wissen alle, die in der Nacht des 7. Juli im Schanzenviertel waren, als die Polizei für ein paar Stunden aus dem Viertel gedrängt wurde, dass es innerhalb der Barrikaden viel sicherer war als in den Stadtteilen, in denen die Polizei weiterhin Menschen angegriffen hat. Als die Polizei zurück in das Viertel kam, berichten Sanitäter*innen davon, dass sie und die Verletzen, die sie gerade in einem Haus versorgten, mit scharfen Waffen bedroht wurden. Nichtsdestotrotz: wenn Politiker_innen und Mainstreammedien von »Gewalt« sprechen, meinen sie damit nicht Polizisten die drohen Leute zu erschießen. Sie meinen auch nicht Tränengasgranaten, Wasserwerfer, Pfefferspray, Polizeikessel oder Polizist_innen, die Gefangene schlagen. Sie meinen die Reaktionen der Menschen auf diese Dinge.

In diesem Sinne nannte die konservative Bild die Polizei »Helden«, um ihren fragwürdigen öffentlichen Dienst zu würdigen, bei dem sie jeden Befehl, Menschen brutal anzugreifen, ausführten, um ihr Gehalt zu erhalten – und forderte ihre Leser*innen dazu auf »Solidarität mit der Polizei« zu zeigen.

Solidarität mit der Polizei! Nimm einen Knüppel und verprügle dich selbst! Öffne einen Hydrant, halte dein Gesicht rein und spiele Wasserwerfer! Nimm scharfes Chili und reibe es dir ins Auge! Lege die Straßen in deiner Nachbarschaft still, halte deine Nachbar*innen in ihren Häusern gefangen – und verlange dafür Geld! Und dann überreiche dir selbst eine Medaille dafür, dass du so ein guter Bürger bist!

Die Bild animierte ihre Leser*innen dazu Geld für die Polizei zu sammeln. Es scheint also nicht ausreichend zu sein, dass diese Schläger, die herum rennen und Leute schlagen und einpfeffern, bereits von deinen Steuern bezahlt werden – nein, sie verdienen anscheinend sogar noch mehr Geld. Vielleicht sollte noch wer eine Solidaritätskampagne mit den G20 AnführerInnen organisieren, damit wir alle Donald Trump noch ein bisschen extra Geld aus unserer eigenen Tasche geben können? Sicher werden die Milliardäre und die ihnen dienenden Polizisten nicht genug Geld haben, bis jeder einzelne Cop in seinem eigenen Wasserwerfer durch die Gegend fahren und die Welt in Pfefferspray einnebeln kann.

An anderer Stelle in der Bild erfahren wir, dass fast 500 Polizist*innen während des G20 verletzt wurden. Das ist eine reine Lüge: relativ schnell kam heraus, dass es sich nur um 231 verletzte Polizist_innen handelte, von denen nur 21 nicht direkt wieder ihre Pflicht ausüben konnten. In dieser Statistik sind zudem 130 Polizisten aus Hessen enthalten, die in ihr eigenes Gas rannten. Es wird nun Mitgefühl von uns erwartet für Polizisten, die sich mit den selben Waffen verletzen, die sie gegen alle anderen anwenden, wobei sie die einzigen sind, die staatlich bezahlte Schutzkleidung dagegen trugen!

Was ist mit den anderen 101 verletzten Polizist*innen? Es wäre spannend zu erfahren wie viele davon sich selbst beim Schlagen, Treten oder auf der Jagd nach Demonstrant*innen verletzt haben – und wie viele von denen durch »friendly fire« ihrer Kollegen verletzt wurden. Und nochmal: dabei waren sie alle durch eine mehrere tausend Euro teure Ausrüstung geschützt, im Gegensatz zu den Opfern ihrer Angriffe.

In jedem Fall – wenn es so gefährlich ist, herum zu rennen und eine größtenteils unbewaffnete Bevölkerung brutal einzupfeffern und einzuschüchtern, dann wäre es vielleicht besser es einfach bleiben zu lassen. Wenn die Autoritäten wirklich um das Wohlergehen ihrer Beamten besorgt wären, dann hätten sie sie vielleicht nicht dazu bringen sollen die Zivilbevölkerung zusammen zuschlagen.

Die selbe verlogene Bild interviewt einen Polizisten, der angibt während der G20 Proteste nur eine Stunde in zwei Nächten geschlafen zu haben. Das wirklich verwunderliche daran ist, dass überhaupt einer dieser Polizisten je schlafen kann! Wenn sich irgendeine*r von uns als Söldner*in verkaufen würde und dann die Zivilbevölkerung schlagen und demütigen müsste, würde unser Gewissen dafür sorgen, dass wir kein Auge mehr zu kriegen, in keiner Nacht.

Wir können hier die Folterknechte dabei beobachten wie sie Sympathien für einen Nietnagel beim zuschrauben der Daumenschraube erwarten – den großen Inquisitor, der sich darüber beschwert sich beim Anzünden einer Hexe den Finger verbrannt zu haben. Sicherlich ist es ein harter Job, wenn mensch die ganze Zeit ein Arschloch zu allen sein muss – aber niemand muss Bulle sein.

Es steht fest, dass die Welt der G20 ohne Gewalt wie diese gar nicht erst möglich wäre. Es lässt sich keine äußerst unpopuläre Ordnung ohne Tränengas und Wasserwerfer aufzwingen. Die Polizeigewalt in Hamburg hat gezeigt, dass Merkel und Macron keine wirkliche Alternative zu Trump, Putin und Erdogan darstellen. Sie alle verlassen sich auf die selben Polizeitaktiken, auf die Ausübung brutaler Gewalt. Die Erfahrungen auf der Empfängerseite ihrer Regierungen werden immer identischer: steigende Überwachung, Kontrolle und Brutalität.

Also – wenn du siehst wie Sturmtruppen Menschen verletzen, identifizierst du dich dann mit den Sturmtruppen oder den Menschen? Dies ist eine der wesentlichen politischen Fragen des 21. Jahrhunderts. Auf der einen Seite versammelt diese Frage Politiker*innen und Expert*innen aller Richtungen, zusammen mit Polizisten und erklärten FaschistInnen. Auf der anderen Seite versammelt sie Anarchist*innen, Rebellen und gewöhnliche Menschen, die die Tyrannei auf der Straße ablehnen.

Die Fronten sind klar.

Fenster klirren und ihr schreit, Menschen sterben und ihr schweigt!