Präfigurative Politik – die Katastrophe und die Hoffnung

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Bietet der Gedanke der “Präfiguration” eine falsche Gewissheit?

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Anarchist:innen wie David Graeber und Cindy Milstein haben den Begriff „präfigurative Politik“ verwendet, um das anarchistische Prinzip zu beschreiben, dass die Art und Weise, wie wir uns in der Gegenwart organisieren, die Art von Gesellschaft reflektieren sollte, die wir in der Zukunft zu erschaffen hoffen. Das Konzept der Präfiguration entstammt allerdings der christlichen Theologie, die von einer zukünftigen Erlösung ausgeht, die dermaßen gewiss ist, dass sie rückwärts durch die Zeit strahlt und ihre eigenen Vorläufer hervorbringt. Auch etliche Marxisten betrachten die Geschichte als die unvermeidliche Entfaltung eines bestimmten Prozesses – eine Art säkulares Wiederkehren des christlichen Millenarismus. Die meisten Anarchisten und Anarchistinnen hingegen sehen die Zukunft nicht als gegeben an, vor allem nicht im heutigen Kontext der ökologischen Katastrophe. Es könnte sich also lohnen, das Konzept der präfigurativen Politik zu überdenken, um zu prüfen, ob es unseren heutigen Bedürfnissen noch gerecht wird. Wir freuen uns, den folgenden Text von Uri Gordon präsentieren zu können, in dem er die Ursprünge des Konzepts der Präfiguration und sein Auftauchen im anarchistischen Diskurs einer gründlichen Untersuchung unterzieht.


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“ΕΙΜΑΣΤΕ ΕΙΚΟΝΑ ΑΠΟ ΤΟ ΜΕΛΛΟΝ” (Wir sind ein Bild aus der Zukunft)

Der Begriff „präfigurative Politik“ wird gewöhnlich verwendet, um ein radikales Ethos für die Einheit von Mitteln und Zielen auszudrücken. Weniger Aufmerksamkeit wurde der besonderen Zeitvorstellung gewidmet, die diesem Konzept zugrunde liegt. Auf der einen Seite gibt es die altbekannte ethisch-revolutionäre Praxis, die vor allem der anarchistischen Tradition geschuldet ist, und bei der der Kampf gegen Herrschaft mit dem unmittelbaren Aufbau gesellschaftlicher Alternativen verbunden ist. Andererseits basiert dieses Konzept jedoch auf der „Präfiguration“ – einem aus der christlichen Theologie stammenden temporalen Framing1, bei dem die Zukunft rückwärts auf ihre Vergangenheit ausstrahlt.

Woher kommt diese Idee? Ist diese Vorstellung einer Projektion aus der Zukunft notwendig, um die Einheit zwischen Mitteln und Zielen zu wahren? Oder sollte die Terminologie der Vorhersage aufgegeben werden, weil sie uns eine falsche Rückversicherung (reassurance)2 vermittelt?

Zunächst einmal untersucht Gordon die Theologie der Präfiguration, indem er ihre Entwicklung von den Kirchenvätern bis zu den politisierten Neuauflagen in der Bewegung der Diggers und der Neuen Linken zurückverfolgt. Er argumentiert, dass das dabei in Erscheinung tretende temporale Framing in der Tat mit einem mentalen „Prozess der Rückversicherung“ verbunden ist, der für viele Revolutionäre typisch ist, die ihre Zuversicht aus der Vorstellung schöpften, dass sie einen vorherbestimmten historischen Pfad beschreiten. Zweitens bietet er erstmals einen systematischen Überblick über die Einheit von Mittel und Zweck, wie sie in der anarchistischen Tradition vielfältig zum Ausdruck kommt. Hier argumentiert Gordon, dass im Gegensatz zur „Präfiguration“ solche Ausdrücke im Sinne eines generativen temporalen Framings formuliert wurden, in dem die Gegenwart die Zukunft beeinflusst und nicht umgekehrt. Im dritten und letzten Teil wird die Auffassung vertreten, dass die Idee der Präfiguration – auch wenn sie nicht wörtlich genommen wird – dennoch als ein Echo einer trügerischen Rückversicherung in Erscheinung treten kann. Dadurch lässt sich eine generative Haltung gegenüber der Zukunft bequem umgehen, nun, da an die Stelle der traditionellen Versprechen einer revolutionären Transformation die Aussicht auf einen ökologischen und industriellen Zusammenbruch tritt. Abschließend schlägt Gordon vor, das Konzept der „präfigurativen Politik“ durch das der „konkreten Utopie“ zu ersetzen – eine Idee, der es zwar an Rückversicherung mangelt, die aber selbst im Angesicht von Angst und Katastrophen noch Hoffnung bieten kann.

Der folgende Text ist sicherlich eine etwas abstrakte Auseinandersetzung mit Ideen und ihrer Geschichte, aber es ist eine Auseinandersetzung, die Auswirkungen auf unsere Kämpfe und die Einstellungen hat, die wir in diese einbringen. Im besten Fall werden die Leserinnen und Leser nach der Lektüre dieses Beitrages in der Lage sein, einen neuen Blick auf ihre Einstellung zur Zukunft zu erlangen, wenn es um ihr gegenwärtiges Handeln geht.

CrimethInc. Ex-Workers Collective3


Quelle: espero – libertäre Zeitschrift, Nr. 4 (Januar 2022), S. 87-125. Die Übersetzung aus dem Englischen bzw. Amerikanischen erfolgte durch Jochen Schmück, der zum besseren Verständnis des Textes den Beitrag durch einige eigene Anmerkungen ergänzt hat, die mit dem Hinweis „Anm. d. Übers.“ gekennzeichnet sind. Die bei der Übersetzung berücksichtigten deutschsprachigen Originalpublikationen, die (wie im Fall der Zitate aus Das Prinzip Hoffnung von Ernst Bloch) an Stelle der vom Autor verwendeten englischsprachigen Übersetzungen dieser Werke verwendet wurden, sind ergänzend zur englischsprachigen Quelle in “[eckige Klammern]” gesetzt.


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Präfiguration, Rekursion und Rückversicherung

Der Begriff „präfigurative Politik“ ist nicht unter Aktivisten entstanden. Seine Urheber waren zwei Sozialwissenschaftler: Dies war zum einen Carl Boggs, der sich 1977 in zwei Aufsätzen auf eine präfigurative Tradition, ein präfiguratives Modell oder eine präfigurative Aufgabe bezog. Zum anderen benutzte zwei Jahre später Wini Breines den Begriff in ihrer Auseinandersetzung mit der Neuen Linken und formulierte ihn neu als „präfigurative Politik“. Die Popularität, die dieses Konzept in jüngerer Zeit erlangt hat, spiegelt die Aufmerksamkeit für die radikale Perspektive der Altermondialismus-Proteste4 der frühen 2000er Jahre wider. Im Gegensatz zu den Gewerkschaften, Nichtregierungsorganisationen und politischen Parteien, die sich ebenfalls an diesen Protesten beteiligten, lehnten diese radikalen Gruppen eine Organisation von oben nach unten, Lobbyarbeit und Programme ab, die auf die Übernahme der staatlichen Macht abzielten. Stattdessen förderten sie anti-hierarchische und anti-kapitalistische Praktiken: dezentrale Organisation in Affinitätsgruppen und Netzwerken, Entscheidungsfindung im Konsens, freiwillige und gemeinnützige Unterneh­mungen, geringerer Konsum und das Bemühen, Herrschafts- und Dis­krimi­nierungsregime wie Patriarchat, Rassismus und Homophobie im eigenen Leben und in den Interak­tionen der Aktivisten und Aktivistinnen zu erkennen und ihnen entgegenzuwirken. Der Begriff „präfigurative Politik“ wird in der Regel mit diesen Praktiken und Orientierungen in Verbindung gebracht – nicht jedoch mit einem temporalen Framing5.

Viele Autoren und Autorinnen, die diese Praktiken diskutieren, verwenden dabei ethische Begriffe ohne temporale Implikationen. In solchen Diskussionen wird die Idee des „Ziels“ in Begriffen von Gütern und Werten (im Sinne von „Selbstzweck“) und nicht als ein möglicher zukünftiger Zustand der Gesellschaft (im Sinne von „Endergebnis“) verstanden. So betont beispielsweise Benjamin Franks den Eigenwert der Mittel, womit er sich in Gegensatz zur instrumentellen oder „konsequentialistischen“ Bewertung stellt, die man bei den autoritären Vordenkern findet.6 Auch Gabriel Kuhn verwendet eher eine ethische als eine temporale Terminologie, wenn er die präfigurative Politik mit der Überzeugung in Verbindung bringt, dass die Errichtung einer egalitären Gesellschaft, die die freie Entfaltung des Individuums ermöglicht, davon abhängt, dass die politischen Akteure die wesentlichen Werte einer solchen Gesellschaft unmittelbar in ihrer Art realisieren, wie sie sich organisieren, wie sie leben und wie sie kämpfen.7 Schließlich distanziert sich Cindy Milstein in ihrem ethischen Statement ausdrücklich von der Zukunft:

„Wir verschieben die gute Gesellschaft nicht auf eine ferne Zukunft, sondern versuchen, ihr im Hier und Jetzt Raum zu verschaffen, wie zaghaft und verzerrt auch immer. Die Kohärenz von Mitteln und Zielen impliziert einen ethischen Ansatz für die Politik. Wie wir jetzt handeln, so wollen wir, dass auch andere anfangen zu handeln. Wir versuchen eine Vorstellung vom Guten zu modellieren, während wir dafür kämpfen.“8

Dennoch taucht in einigen Aussagen eine temporale Dimension der Präfiguration auf, die die gegenwärtigen Praktiken direkt auf eine mögliche Zukunft beziehen. So definiert Brian Tokar das Konzept der Präfiguration als „die Idee, dass eine transformative soziale Bewegung notwendigerweise die Wege und Mittel der erhofften neuen Gesellschaft antizipieren muss“.9 In ihrem Buch Anti-Capitalist Britain schreiben John Carter und Dave Morland, dass es sich um „eine Strategie handelt, die eine embryonale Ver­körperung einer anarchistischen sozialen Zukunft darstellt“.10 Schließlich definiert der Soziologe Steven M. Buechler unter Verwendung von Begriffen, die für unsere Diskussion von großer Bedeutung sind, die präfigurative Politik als eine Strategie, bei der „die Verfolgung utopischer Ziele rekursiv in den täglichen Aktivitäten und im Organisationsstil der Bewegung integriert ist.“11

Diese Aussagen führen eine Terminologie ein, die weit über das Ethische hinausgeht: Antizipation, Hoffnung, Reifung, Rekursion12, Repräsentation, Utopie. Um mit der Entschlüsselung dieser Zukunftsorientierung zu beginnen, möchte ich die Wurzeln der Idee der Präfiguration freilegen, die den Aktivisten, die diesen Begriff verwenden, möglicherweise nicht bekannt sind.

Die Idee der Präfiguration ist durch die christliche Auslegung der Bibel in die westliche Vorstellungswelt eingeflossen. Seit ihren Anfängen hat die christliche Theologie die hebräische Bibel als das Alte Testament betrachtet, das „einen Schatten von den zukünftigen Gütern“13 enthält. Ihres normativen und nationalen Charakters entkleidet liegt die christliche Bedeutung der hebräischen Bibel in ihrer Ankündigung des Evangeliums, so dass, in den Worten von Kardinal de Lubac, „Christus uns durch die Schatten und Figuren erscheint, die er selbst in der jüdischen Geschichte hinterlassen hat“.14 So sagt der Apostel Paulus, dass Adam „ein Bild [τύπος, typos] des Zukünftigen“15 war, und, dass die Prüfungen der Israeliten in der Wüste „uns als Vorbilder [τύπος, typoi] dienten“.16

Der Literaturwissenschaftler Erich Auerbach identifizierte in seinem wegweisenden Aufsatz über den Begriff „figura“17 Tertullian (ca. 160-225 n. Chr.) als den ersten Kirchenvater, der die sporadischen Hinweise des Paulus auf Vorbilder zu einem systematischen Ansatz für die Auslegung der Heiligen Schrift entwickelte, der heute unter dem Begriff Typologie bekannt ist. So behandelt neben vielen anderen Beispielen, die man anführen könnte, Tertullian in Adversus Marcionem Moses Namensgebung für Josua18als „eine Figur des Zukünftigen“ [figura futurorum fuisse], und er verbindet auch Josua mit seinem Namensvetter Jesus von Nazareth und Josuas Führung der Israeliten mit Jesu Führung des „zweiten Volkes“ – der Christen – in das „verheißene Land […] des ewigen Lebens“.19

Nach Auerbach tritt seit „dem 4. Jahrhundert […] das Wort figura und die damit verbundene Deutungsweise bei fast allen lateinischen Kirchenschriftstellern in voller Ausbildung zutage“.20 Die früheste Verwendung des spezifischen Begriffs „Präfiguration“, die ich finden konnte, findet sich um 380 n. Chr. in der lateinischen Übersetzung Adversus Haereses (Gegen die Häresien) von Irenäus von Lyon21. Darin schreibt er, dass „das erste Testament […] ein Vorbild [typum] der himmlischen Dinge darstellte […], ein Vorzeichen [præfigurans] für die Bilder von dem, was in der Kirche sein sollte“.22

Bald darauf befasste sich der heilige Hieronymus (347-420) in seinem 53. Brief an Paulinus, (De studi Scripturarum)23 damit, wie Christus „im Gesetz und in den Propheten vorherbestimmt und vorgezeichnet [prædestinatus autem, et præfiguratus] wurde“. So ist das Deuteronomium24 eine „Präfiguration des evangelischen Gesetzes [Evangelicae legis praefi­gu­ratio]“, und Jonas „ruft die Welt zur Umkehr auf, wobei sein Schiffbruch die Passion des Herrn vorwegnimmt“ [passionem Domini præfigurans]. In vielen anderen Beispielen wird eine andere Terminologie verwendet, von der Landvermessung Josuas, „die das himmlische, geistige Königreich Jerusalem beschreibt“, bis zu Esther, die „in der Gestalt der Kirche [in Ecclesiae typo] ihr Volk aus der Gefahr befreit“.25

St. Jerome.

Es war der heilige Augustinus von Hippo (354-430), der nach Auerbach „diesen Gedanken so tief und vollständig entwickelt“26 hat. Auerbach führt viele Beispiele an, zu denen wir Augustinus Aussagen in De civitate Dei („Vom Gottesstaat“)27 hinzufügen können, wonach Kain, „der Gründer des irdischen Staates […] für die Juden steht, die Christus, den Menschenhirten töteten, der von Abel, dem Schafhirten, präfiguriert [præfigurabat]“28 wurde, und auch, dass „das Reich Saulus […] den Schatten eines noch kommenden Reiches“ bildete, weshalb David „um des Vorzeichens willen“ [propter illud, quod præfigurabat] darauf verzichtete, Saulus zu erschlagen (1. Buch Samuel 24: 1-7).29

Präfiguration ist ein rekursives temporales Framing, das dazu dient, Ereignisse zu einer bestimmten Zeit als ein Sinnbild (figure) zu deuten, das auf seine Vollendung in späteren Ereignissen hindeutet, wobei das Sinnbild als Modell für die Erfüllung dient. In den eben besprochenen Aussagen ist also die Deutung rückwärtsgewandt: Sowohl das Sinnbild als auch seine Vollendung (d.h. die Ereignisse des Alten Testaments und die Ereignisse des Evangeliums) gehen der Deutung voraus. Ebenso könnten wir rückblickend behaupten, dass die Aussagen des Paulus die umfassenderen typologischen Darstellungen bei Hieronymus und Augustinus „präfiguriert“ haben. Die Präfiguration kann jedoch auch in die Zukunft gerichtet sein, nämlich dann, wenn aktuelle Ereignisse zukünftige Ereignisse präfigurieren sollen. In diesem vorausschauenden Sinn nimmt Johannes der Täufer denjenigen vorweg, „der nach mir kommt“30 – und kündigt damit seine eigene Präfiguration von Jesus an. Ebenso wichtig für das christliche Schema ist, dass eine solche vorausschauende Präfiguration auf die Vorstellungen von der Endzeit übertragen wird, wobei jedes Paar der Figur-Erfüllung (figure-fulfilment pair) auf eine dritte, endgültige Erfüllung und Vollendung bei der Wiederkunft hinweist. Aus dieser Sicht heraus, argumentiert Auerbach,

„gelangt das jeweilige Weltgeschehen nicht zu der praktischen Endgültigkeit, welche [nach moderner Auffassung] der vollzogenen Tatsache innewohnt; […] sie richtet sich aus nach einem Urbild des Geschehens, das in der Zukunft liegt und bislang nur verheißen ist. […] Denn jenes zukünftige Urbild, obgleich noch als Geschehen unvollendet, ist bereits in Gott vollständig erfüllt und war es in seiner Vorsehung von Ewigkeit her.“31

Die Diggers, dargestellt von dem anarchistischen Künstler Clifford Harper.

In Anbetracht der Tatsache, dass dieses temporale Framing für die christliche Weltanschauung von zentraler Bedeutung war, überrascht es nicht, dass oppositionelle Bewegungen im mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Europa häufig eine präfigurative Sprache verwendeten. Ein Beispiel dafür ist Gerrard Winstanley, der Anführer der Diggers-Bewegung, für den die Präfiguration zum Eckpfeiler einer kompletten revolutionären Theologie wurde. In seinem 1649 veröffentlichten Pamphlet The True Levellers Standard Advanced32 rechtfertigt Winstanley die Strategie der direkten Aktion der Diggers – die Wiederaneignung von ehemaligem Gemeindeland und die Verweigerung von Lohnarbeit – ausdrücklich mit der angeblichen Erfüllung biblischer Prophezeiungen. Winstanley glaubte, dass das Reich Gottes nicht durch göttliches Eingreifen, sondern durch menschliches Handeln herbeigeführt werden könnte – durch die Errichtung einer zeitgenössischen egalitären Gesellschaft. Anstelle einer buchstäblichen Wiederkehr erwartete er die endgültige Ankunft des „Geistes Christi, der der Geist der universellen Gemeinschaft und Freiheit ist“,33 in den Personen, die „das Fundament legen, um die Erde zu einer gemeinsamen Schatzkammer zu machen“.34 Deshalb erklärt er: „Diejenigen, die entschlossen sind, gemeinsam zu arbeiten und zu essen und die Erde zu einer gemeinsamen Schatzkammer zu machen, reichen Christus die Hand, um die Schöpfung aus der Knechtschaft zu befreien und alle Dinge aus dem Fluch zu erlösen.“35 Später verwendet Winstanley seine eigene Terminologie, um auf die Sorgen über Unterdrückung und Not einzugehen:

„Und wir sind gewiss, dass wir durch die Kraft dieses Geistes, der sich uns offenbart hat, nicht zurückschrecken werden, weder vor dem Gefängnis noch vor dem Tod […] Denn dieses Werk gibt uns die Gewissheit, […] dass die Fesseln gesprengt, die Tränen getrocknet und alle armen Menschen durch ihre rechtschaffene Arbeit entlastet und von Armut und Not befreit werden; denn durch dieses Werk der Erneuerung wird es keinen Bettler mehr in Israel geben: Denn wenn es im wirklichen Israel keinen Bettler gab, so wird es im spirituellen Israel, dem Antityp, erst recht keinen Bettler geben.“36

Winstanleys letzte Aussage (die sich nicht direkt auf die Heilige Schrift bezieht, sondern auf eine Beobachtung von der er in seinen; Schriften häufiger berichtet) beschreibt die Aktivitäten der Diggers als die Erfüllung einer alttestamentlichen Vorstellung. Im Sinne der vorstehenden Definition ist Winstanleys Präfiguration rückwärtsgewandt, wenn auch in der Zeitform der vollendeten Gegenwart (present perfect tense). Die Diggers und ihre Handlungen sind keine Kunstfiguren, sondern sie sind die Erfüllung des in der Bibel vorhergesagten „spirituellen Israel“. Wie wir sehen werden, ist jedoch die explizit zukunftsgerichtete Nutzung der Präfiguration auch ein Merkmal der revolutionären Vorstellungswelt.

Gerrard Winstanley, dargestellt von dem anarchistischen Künstler Clifford Harper.

Zunächst einmal möchte ich feststellen, dass Winstanleys präfiguratives Denken ein Beispiel für den „Prozess der Rückversicherung“ ist, den der Historiker Reinhart Koselleck bei zahlreichen „aktive[n] Gruppen“ ausgemacht hat, die mit „einer eigenläufigen Geschichte im Bunde“ sein wollen, „die sie selber nur vorantreiben helfen“.37 In seinem Essay Über die Verfügbarkeit von Geschichte beschreibt Koselleck den Prozess der Rückversicherung als „Willensverstärker“, um „die geplante Zukunft […] schneller herbeizuführen“.38 Dies trifft sicherlich auf Winstanleys Zusicherung zu, dass die Aktionen der Diggers die vorhergesagte Erfüllung biblischer Vorstellungen sind. Es ist ein Framing, das nach Koselleck „der Entlastung“ dient – „der eigene Wille wird zum Vollstrecker transpersonalen Geschehens“ – und es dient damit auch der „Legitimation, die ein gutes Gewissen zum Handeln verschafft.“39

Ich möchte an dieser Stelle auf die Wiederentdeckung dieses Prozesses der Rückversicherung im Aufsatz The Way Forward von André Gorz hinweisen, der im unmittelbaren Gefolge der 1968er Revolte in Frankreich in der New Left Review veröffentlicht40 wurde. Dieser Aufsatz zeichnet sich dadurch aus, dass er den Begriff der Präfiguration fast ein Jahrzehnt vor Boggs verwendet und ihn gleichzeitig in einen autoritären marxistischen Kontext integriert. Dies gibt uns die einmalige Gelegenheit, eine säkulare und politische Version des präfigurativen Denkens zu untersuchen, unabhängig von der anarchistischen ethischen Perspektive, auf die sich der Begriff normalerweise bezieht. In der Tat bedient sich Gorz altbekannter Stereotypen über den Anarchismus, der „auf die Spontaneität der Massen setzt und den Aufstand als den Königsweg zur Revolution betrachtet“ und auch auf „die Theorie des Alles-oder-Nichts, nach der die Revolution ein quasi-augenblicklicher Akt sein muss“.41 Gorz spricht sich auch gegen den „unmittelbaren Aufbau des Sozialismus und des Kommunismus“42 aus und plädiert für eine „guevaristische“ Strategie, bei der die revolutionäre Avantgarde zum Erzieher der Massen wird. Die Avantgardepartei „bereitet den proletarischen Staat vor und verdeutlicht der Arbeiterklasse ihre Fähigkeit, eine herrschende Klasse zu sein“.43 Nach dem Schema von Gorz präfigurieren die Mittel nicht die Endziele, sondern andere Mittel. Statt eine Präfiguration der „postrevolutionären Gesellschaft“ zu sein, präfigurieren die „Zentralorgane“ der Partei „durch ihren Zusammenhalt und ihre Fähigkeit zur politischen Analyse die zentrale Macht der Übergangsperiode.“44

Gorz‘ wiederholte Verwendung des Begriffs der Präfiguration kann nicht als bloßer literarischer Schnick-Schnack abgetan werden. Er stützt sich ebenso wie Winstanley mit seinem theologischen Framing auf eine universelle Perspektive, die Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft in einem sich entfaltenden Gesamtplan verbindet. In seinem Fall ist dies das orthodoxe Programm des revolutionären Marxismus. Sein Framing ist eindeutig zukunftsorientiert, mit einer in der Gegenwart angesiedelten Vorstellung, die auf ihre künftige Verwirklichung ausgerichtet ist. Die erwünschte Rolle der Avantgarde in der Gegenwart wird also rückwärts vom Endziel, der Ergreifung der Staatsmacht, ausgearbeitet. Nur das große Narrativ, das diesem Programm zugrunde liegt, mit seiner spezifischen Sicht auf Klasse und Partei, kann ein ausreichend klares Bild der Zukunft (des Arbeiterstaates) bieten, um als Modell für die Gegenwart zu dienen. Nur ein revolutionäres Szenario, das als „vorgegeben“ betrachtet wird, kann eine solche symbolische Projektion aus der Zukunft verständlich machen. Das soll nicht heißen, dass ich ambitionierte Behauptungen über eine messianische Ader im Herzen des Marxismus gutheiße. Der springende Punkt ist vielmehr, dass in diesem präfigurativen Schema über den einzig möglichen – wenn auch nicht garantierten – Weg zur Revolution bereits entschieden wurde.

Und was noch wichtiger ist: Gorz benutzt die Präfiguration für ein fast transparentes Täuschungsmanöver. Die erzieherische Rolle, die Gorz beschreibt, soll die Arbeiterbewegung stärken und sie dazu bringen, ihr Potenzial auszuschöpfen. Warum sollte ein solcher Erziehungsprozess nicht in ein generatives temporales Framing eingebettet sein und sich ohne die rekursive Projektion eines imaginären zukünftigen Endergebnisses weiterentwickeln? Gorz möchte, dass die Partei als Erzieher agiert, indem sie die vorgegebene Vision ihres Sieges modelliert und die Entwicklung des Klassenbewusstseins vorantreibt. Mit anderen Worten: Die präfigurative Sprache soll eindeutig den Prozess der Rückversicherung in der Arbeiterklasse aktivieren.

Wie wir später noch sehen werden, ist es die Abwesenheit der Rückversicherung, die nun von der Präfiguration überdeckt wird. Vorerst möchte ich jedoch die generativen temporalen Framings näher betrachten, die das Ethos der Einheit von Mittel und Zweck begleitet haben. Diese tauchen am frühesten und konsequentesten in der anarchistischen Tradition auf, die allerdings von keinem der Urheber des Begriffs „präfigurative Politik“ besonders berücksichtigt wurde.

Ethische Praxis und generative Zeitlichkeit

Carl Boggs veröffentlichte seinen Aufsatz Marxism, Prefigurative Communism, and the Problem of Workers‘ Control45 in der Doppelnummer zum zehnjährigen Bestehen von Radical America46, einer Zeitschrift, die 1967 von Paul Bhule und Mitgliedern des Students for a Democratic Society (SDS) gegründet wurde, die aber „ihre Keimzelle längst überlebt“ und sich „zu einer eklektischen linken Publikation entwickelt hat, die an keine einzige Strategie und schon gar nicht an eine Organisation gebunden ist“.47 In dem Aufsatz von Boggs geht es in erster Linie um die aufständischen Rätebewegungen in Russland, Italien und Deutschland in den Jahren zwischen 1917 und 1920, und er definiert den Begriff „präfigurativ“ als „die Verkörperung jener Formen der sozialen Beziehungen, der Entscheidungsfindung, der Kultur und der menschlichen Erfahrung, die in der derzeitigen politischen Praxis einer Bewegung das eigentliche Ziel darstellen“.48

Boggs obige Definition könnte man als eine formale Definition bezeichnen, die sich auf die Entsprechung zwischen dem Endziel und der aktuellen Praxis beschränkt, während sie über deren tatsächlichen Inhalt schweigt. Im Gegensatz dazu stehen seine Aussagen in dem Artikel Revolutionary Process, Political Strategy and the Dilemma of Power49, den er noch in demselben Jahr in der wissenschaftlichen Zeitschrift Theory and Society veröffentlichte. Darin bezeichnet er die präfigurative Aufgabe als eine, „die die Endziele des revolutionären Prozesses selbst zum Ausdruck bringt: die Selbstemanzipation des Volkes, kollektive soziale und Autoritätsbeziehungen, sozialistische Demokratie“.50 Es handelt sich also um eine substanzielle Definition, die im Gegensatz zur formalen Definition sowohl den Praktiken als auch den Zielen einen besonderen Wertgehalt verleiht. Eine substanzielle Definition verwendet auch Wini Breines in ihrem Aufsatz, den sie erstmals 1979 auf der Jahrestagung der American Sociological Association vorstellte, der für die Veröffentlichung in Social Problems51 überarbeitet und später in ihrem Buch Community and Organization in the New Left, 1962-196852 in einer erweiterten Fassung veröffentlicht wurde. Breines, die sich auf Boggs beruft, definiert präfigurative Politik als den „Versuch der Verkörperung persönlicher und anti-hierarchischer Werte […], um die Samen der Befreiung und der neuen Gesellschaft (vor und im Prozess der Revolution) durch Begriffe der partizipativen Demokratie zu entwickeln, die auf [nicht-kapitalistischen und kommunitären] Gegeninstitutionen beruhen“.53

Man beachte, dass die formale Definition die Möglichkeit offenlässt, präfigurative Politik mit sehr unterschiedlichen Praktiken in Verbindung zu bringen, angefangen beim Hofstaat in Wartestellung der Thronanwärter, über parlamentarische Schattenkabinette bis hin zu weißen nationalistischen Gruppen, die die arische Vorherrschaft „präfigurieren“. Was die formale und die substanzielle Definition überbrückt, ist jedoch ein bestimmter politischer Kontext. Es handelt sich um die Opposition zu autoritären Varianten des Marxismus, deren Ziele und Mittel in dieser Hinsicht nicht miteinander in Einklang gebracht werden können. Der autoritäre Marxismus postuliert zwar die staatslose kommunistische Gesellschaft als Endziel – in Lenins Worten als eine Gesellschaft „ohne Gewalt, ohne Zwang, ohne Unterordnung“54 –, geht aber über Strukturen von oben nach unten und mittels der Ergreifung der Staatsmacht vor. Es gibt keine Übereinstimmung zwischen Mitteln und Zielen, und die revolutionäre Organisation und Aktion wird rein instrumentell angegangen. Diese Kritik und die Alternative, die heute als „präfigurative Politik“ bezeichnet wird, wurden nicht von der Neuen Linken, sondern bereits von Anarchisten vor über einem Jahrhundert ausgearbeitet.

Breines würdigt zwar den Anarchismus und den radikalen Pazifismus als die „wahren Vorläufer“ der Neuen Linken, sie geht aber dabei nicht über die Erwähnung von Paul Goodman und Murray Bookchin als deren einflussreiche Repräsentanten hinaus.55 In seinem Artikel für Theory and Society widmet Boggs dem anarchistischen Beitrag nur eine einzige Seite, wobei er ihn als bloße „Reaktion auf den organisierten Marxismus“ abtut, der „hilflos von außen her um sich schlägt“, „gefangen in seinem eigenen Spontaneismus“ und in seiner „Beschäftigung mit kleinen ‚organischen‘ Face-to-Face-Institutionen“.56 In seinem Beitrag für Radical America erkennt er zwar an, dass die präfigurative Tradition „mit den Anarchisten des 19. Jahrhunderts beginnt“57, doch übertrifft er sich selbst (und Gorz) mit der Behauptung, dass die Anarchisten „die Politik verachteten“, sie zudem „‚Theorie‘ und ‚Organisation‘ in jeglicher Form verachteten“ und „im Grunde genommen romantisch und utopisch“ waren und „auf eine idyllische Vergangenheit zurückblickten, die in einem primitiven Kollektivismus wurzelte“58 – und dies alles ohne den Hauch eines Beweises. Mehr noch: Nachdem Boggs zunächst die präfigurative Strategie dafür gelobt hat, dass sie „Etatismus und Autoritarismus als besondere Hindernisse ansieht, die es zu überwinden gilt“59, scheint er vor den Konsequenzen seiner eigenen Argumentation zurückzuschrecken und erwähnt kurz darauf präfigurative Strukturen als die „Keimzelle eines künftigen sozialistischen Staates“60 und lobt den Rätekommunismus dafür, dass dieser den „Kampf um die Staatsmacht“61 nicht „mit Verachtung zurückweist“. Obgleich neuere Autorinnen und Autoren die enge Verwandtschaft zwischen der präfigurativen Politik und dem Anarchismus wesentlich deutlicher anerkannt haben, soll im Folgenden eine systematische Untersuchung der wichtigsten Äußerungen zur Einheit von Mittel und Zweck in der anarchistischen Tradition vorgenommen werden. Wie wir sehen werden, verwendeten diese Autoren im Gegensatz zur rekursiven Präfiguration durchweg ein generatives temporales Framing.

Der grundlegende Konflikt zwischen der autoritären und der libertären Fraktion in der Ersten Internationale spitzte sich nach dem Fall der Pariser Kommune 1871 zu. Als der nicht-öffentliche Generalrat der Internationale beschloss, dass die Arbeiter ihre eigenen politischen Parteien gründen sollten, hielten die Anarchisten eine Gegenkonferenz in Sonvilier (im Berner Jura) ab. Sie veröffentlichten ein Zirkular62, das das Gegenprogramm der sozialen Revolution als „die Emanzipation der Arbeiter durch die Arbeiter selbst“ definierte, „frei von jeder leitenden Autorität, selbst wenn diese Autorität von den Arbeitern gewählt und gebilligt werden sollte“. Das Zirkular schloss mit den Worten:

„Die künftige Gesellschaft soll nichts anderes sein, als die allgemeine Durchführung [l’universalisation] der Organisation, die die Internationale sich gegeben haben wird. Wir müssen also Sorge tragen, diese Organisation so viel als möglich unserem Ideal zu nähern. Wie könnte eine egalitäre und freie Gesellschaft aus einer autoritären Organisation hervorgehen? Das ist unmöglich. Die Internationale, Embryo der künftigen menschlichen Gesellschaft, ist gehalten, schon von jetzt an das treue Bild unserer Grundsätze von Freiheit und Föderation zu sein und jedes der Autorität, der Diktatur zustrebende Prinzip aus ihrer Mitte zu werfen.“63

Dieses Argument verweist mit seiner Embryo-Metapher auf das, was man heutzutage als die „Pfadabhängigkeit“ zwischen revolutionären Praktiken und ihren Ergebnissen bezeichnen würde. Der Weg, den man geht, bestimmt das Ziel, das man erreicht. Die Wahl der revolutionären Organisation (von oben nach unten oder von unten nach oben) bestimmt letztendlich sowohl die Form der Revolution (Ergreifung der Staatsmacht oder Abschaffung des Staates) als auch ihr Endergebnis (modifizierte hierarchische Strukturen oder freier Kommunismus). Man beachte, dass in dem Zirkular das Argument der Pfadabhängigkeit, obwohl es mit „Prinzipien“ verbunden ist, die Entsprechung von Mittel und Zweck in instrumentellen Begriffen rechtfertigt. Obwohl die Ergreifung der Staatsmacht als ein wirksames revolutionäres Mittel betrachtet wird, wird sie nicht nur aus ethischen Gründen abgelehnt. Vielmehr wird sie als ineffektiv abgelehnt, da sie nicht zu einer klassenlosen Gesellschaft, sondern zu einer Diktatur führt.

Bakunin spricht auf dem Basler Kongress 1869.

Im selben Jahr [1871] bestand Bakunin64 auch darauf, dass die Internationale sich „von unten nach oben organisieren sollte, ausgehend vom sozia­len Leben der Massen und ihren wirklichen Bestrebungen“ und „nicht, indem sie das natürliche Leben der Massen in die Zwangsjacke des Staates zwingt“.65 Aus diesem Grund lobte er auch das Desinteresse der Kommunarden an der Ergreifung der Staatsmacht:

„[…] eine soziale Revolution […], dachten unsere Freunde, die Sozialisten von Paris, […] könne nur durch die spontane und fortgesetzte Aktion der Massen, der Volksgruppen und Volksvereinigungen, gemacht und ihrer vollen Entwicklung zugeführt werden. […] [Die Gesellschaft muss sich] anders organisieren, aber nicht von oben nach unten und nach einem idealen von einigen Weisen oder Gelehrten erträumten Plan oder durch Dekrete, die irgendeine diktatorische Macht ausschleudert, noch auch selbst durch eine auf Grund des allgemeinen Stimmrechts gewählte Nationalversammlung […], [sondern] nur von unten nach oben […] durch die freie Assoziierung und Föderierung der Arbeiter.“66

Unter „spontan“ versteht Bakunin nicht impulsiv oder improvisiert, sondern selbstbestimmt und auf freiwilliger Grundlage. Eine solche soziale Reorganisation, die direkt an der Basis stattfindet, steht daher im Gegensatz zu den künstlichen von oben errichteten Strukturen, die dieselbe Entfremdung durch die Macht aufrechterhalten, gegen die die Revolutionäre ihren Kampf führen. Wie die jurassischen Anarchisten denkt auch Bakunin bei seiner Forderung nach einer direkten sozialen Reorganisation an die langfristigen Auswirkungen der gegenwärtigen Aktionen und Strukturen sowie an die Festlegungen, die getroffen werden, sobald ein bestimmter Weg eingeschlagen wurde. Indem sie ihre eigenen Organisationsformen von unten nach oben ausbauen und verteidigen, können die revolutionären Massen einige ihrer Ziele unmittelbar erreichen. In instrumenteller Hinsicht vermeidet eine solche Organisation nicht nur die Fallstricke des Autoritarismus und der Bürokratie, sondern sie schafft auch eine stärkere soziale Basis für Streiks und Aufstände.

Die Rue de Rivoli nach der Niederschlagung der Pariser Kommune.

Diese Betonung der unmittelbaren Realisierung sollte später zum zentralen Bestandteil des anarchistischen Konzepts der direkten Aktion werden. Dieses Konzept geht über rein disruptive Taktiken hinaus, und es umfasst ein breiter angelegtes Handlungsprinzip, das ohne Vermittler auskommt. Bei der direkten Aktion setzt eine Gruppe oder ein Einzelner ihre eigene Macht ein, um eine Ungerechtigkeit zu verhindern oder um ihre Wünsche durchzusetzen, anstatt sich an einen externen Vermittler zu wenden, der dies für sie erledigt. So forderte Kropotkin67 die Arbeiter zur Enteignung der Produktionsmittel und Infrastrukturen auf, als einen „ersten Schritt zu einer Reorganisation unserer Produktion nach sozialistischen Prinzipien“.68

Während Kropotkin den Aufstand der Massen im Sinn hatte, gibt es lokalere Beispiele für direkte Enteignungen wie Land- und Fabrikbesetzungen, Hausbesetzungen in den Städten und die digitale Piraterie. Ebenso wichtig ist die unmittelbare Rekonstruktion der sozialen Rollen und Beziehungen, soweit dies möglich ist. Die Ausweitung, Vertiefung und Verteidigung von Gleichheit und Herrschaftslosigkeit erreicht ihre Ziele auf direktem Wege, so wie es z.B. möglich ist, Fracking durch eine massenhafte Landbesetzung zu verhindern. In beiden Fällen mag das dabei Erreichte vorübergehend oder instabil sein, aber es erfordert keine Vermittler. Zwischen diesem erweiterten Verständnis von direkter Aktion und der Vorliebe der aktuellen Bewegungen für „präfigurative Politik“ gegenüber Lobbyarbeit, Rechtsstreitigkeiten und Parteipolitik gibt es eine offensichtliche Parallele. In allen Fällen – bei der Störaktion, der Enteignung und dem Wiederaufbau – geht es um die Nicht-Entfremdung der kollektiven Macht und um die Ablehnung der Politik der Repräsentation.

Die Ergebnisse der Oktoberrevolution haben die Warnungen der Anarchisten über Mittel und Ziele bestätigt und Emma Goldman69 zu einer richtungsweisenden Aussage in ihrem Nachwort zu My further Disillusionment in Russia70 veranlasst. Am Ende ihres Berichtes erklärt Goldman: „Keine Revolution kann jemals als ein Faktor der Befreiung erfolgreich sein, wenn die Mittel, die zu ihrer Durchsetzung eingesetzt werden, nicht in Geist und Tendenz mit den zu erreichenden Zielen übereinstimmen“71:

„Die gesamte menschliche Erfahrung lehrt uns, dass Methoden und Mittel nicht vom Endziel getrennt werden können. Die eingesetzten Mittel werden durch die individuelle Gewohnheit und die gesellschaftliche Praxis zu einem Teil des Endziels; sie beeinflussen es, verändern es, und schließlich werden Ziele und Mittel identisch.“72

Hier finden wir sie wieder, die Aussage über die Pfadabhängigkeit. Man beachte jedoch die Vielzahl zeitlicher Anspielungen in ihren abschließenden Sätzen:

„Das Heute ist die Mutter von Morgen. Die Gegenwart wirft ihren Schatten weit in die Zukunft […]. Eine Revolution, die sich selbst der ethischen Werte beraubt, legt damit den Grundstein für Ungerechtigkeit, Betrug und Unterdrückung in der Gesellschaft der Zukunft. Die Mittel, die zur Vorbereitung der Zukunft eingesetzt werden, werden zu ihrem Grundstein […]. Die ethischen Werte, die durch die Revolution in der neuen Gesellschaft etabliert werden sollen, müssen mit den revolutionären Aktivitäten der sogenannten Übergangsperiode eingeleitet werden. Die Revolution ist der Spiegel des kommenden Tages; sie ist das Kind, welches der Mensch von morgen sein soll.“73

Wie bei der Embryo-Metapher im Sonvilier-Zirkular geht es auch in Goldmans Darstellung des Verschmelzens von Mitteln und Zielen darum, dass die Gegenwart die Zukunft erzeugt. Wenn man einmal von der Spiegel-Metapher absieht, handelt es sich dabei um ein generatives temporales Framing, das ohne Rekursion in der vorausschauenden Zeit angesiedelt ist. Die Zukunftsvisionen der Revolutionäre sind selbst Teil der Gegenwart – geschöpft aus aktuellen mentalen Erfahrungen und diskursivem Austausch. Noch wichtiger ist jedoch, dass die Interpretation der Gegenwart in sich geschlossen ist und eher von ethischen Werten als von einem versprochenen oder imaginären Prototyp abhängt. Die Reifung ist in diesem Prozess nicht garantiert (das Kind „soll sein“, nicht „wird sein“). Doch das, was bereits vollendet ist, besitzt jene „praktische Endgültigkeit“,74 die für Auerbach kennzeichnend für die moderne Sichtweise ist.

Dies ist jedoch nicht bloß eine Frage der Formulierung, sondern es ist ein wesentlicher Unterschied, wenn wir uns vor Augen führen, dass gelebte Ethik eine experimentelle und neuartige Qualität hat, die die Möglichkeit einer rekursiven Argumentation untergräbt. In Ablehnung der abgesicherten Entwürfe utopischer Sozialisten und sowjetischer Planer bevorzugen Anarchisten die wiederholten, konkreten Erfahrungen des sozialen Kampfes, die zu unvorhergesehenen Formen kollektiver Macht und Solidarität führen. So beschreibt Goldman die Revolution „in erster Linie als den Umwerter, den Überbringer neuer Werte. Sie ist der große Lehrer der neuen Ethik und inspiriert den Menschen mit einem neuen Konzept des Lebens“.75 Sie verwendet den von Nietzsche geprägten Begriff Umwertung, ohne den Namen des Philosophen zu erwähnen, doch es ist klar, dass sie von Nietzsche eine Einstellung übernommen hat, die eine radikale Offenheit bei der Schaffung neuer sozialer Visionen und Praktiken beinhaltet. Das Entstehen von Beziehungen, die über die Herrschaft hinausgehen, ist ein ungewisser Prozess, der sowohl spielerisch als auch gefährlich ist. Dies bedeutet jedoch, dass die Ziele, die in der Praxis zum Ausdruck kommen, einer ständigen Neubewertung unterzogen werden müssen. Eine solche Politik mit offenem Ausgang macht es schwer, eine feste Vorstellung von einer „zukünftigen Errungenschaft“ aufrechtzuerhalten, was sie zu instabil macht, um auf kohärente Weise als Quelle für eine rekursive Präfiguration zu dienen. Eine solche partielle Unbestimmtheit der Ziele macht nur innerhalb eines generativen temporalen Framings Sinn, in dem die Zukunft als das unbekannte Produkt der Möglichkeiten und Zufälligkeiten gesehen wird, die ihr vorausgegangen sind.

Heute ist es schwer geworden, mit Gewissheit in eine gute Zukunft zu blicken.

Fehlende Verheißung, Krise und Hoffnung

Wir haben bereits gesehen, dass die temporalen Framings, die die anarchistischen Konzepte der ethischen Strategie begleiten, eher generativ als präfigurativ im zeitlichen Sinne sind, sie versuchen, eine noch unbekannte Zukunft aus der Gegenwart heraus zu gestalten. Der experimentelle Charakter eines solchen Framings führt weg vom „Prozess der Rückversicherung“ und hin zu einer bescheideneren Auffassung zukunftsorientierter Entwürfe. Wenn aber nicht-hierarchische soziale Beziehungen weder mit der Zusicherung einer historischen Dynamik noch mit einer vollständigen Determiniertheit der Ziele erweitert und verteidigt werden sollen, was bleibt dann noch von den Zukunftsvorstellungen der Aktivistinnen und Aktivisten übrig?

Eine der Antworten lautet: „Vielleicht gar nichts“. Sie ist Ausdruck einer neueren Strömung, die sich in den Äußerungen von Aktivisten finden lässt, die auf die vollständige Integration der revolutionären Errungenschaften in die gegenwärtige ethische Praxis abzielt und sie damit von der Zukunft trennt. Nur ein paar Beispiele:

  • Die Revolution existiert in jedem Moment unseres Lebens […] in der Gegenwart, nicht in einer mythischen möglichen Zukunft. – „Monkey“, 1999.
  • Es ist von entscheidender Bedeutung, dass wir Veränderungen nicht im Namen einer Doktrin oder einer großen Sache anstreben, sondern für uns selbst, damit wir in der Lage sind, ein sinnvolleres Leben zu führen […] anstatt unseren Kampf auf weltgeschichtliche Veränderungen auszurichten, die wir nicht miterleben werden. – CrimethInc., 2000.
  • Die Revolution findet jetzt statt, und wir müssen die Wünsche, die wir für die Zukunft haben, im Hier und Jetzt so gut wie nur möglich verwirklichen. Wenn wir damit anfangen, hören wir auf, für irgendeine abstrakte Bedingung für die Zukunft zu kämpfen, und beginnen stattdessen mit dem Kampf dafür, diese Wünsche in der Gegenwart verwirklicht zu sehen […], um die eigene selbstbestimmte Existenz zum Erblühen zu bringen. – Hodgson, 2003.

Der anarchistische Geograf Simon Springer bezeichnet solche Ansichten anerkennend als mikropolitischen Anarchismus, der die „Politik des Endzustands“ („end-state politics”) ablehnt und stattdessen den „permanenten Aufstand“ der „finalen Revolution“ vorzieht und damit „jeden Anspruch auf eine völlig freie und harmonische Gesellschaft in der Zukunft aufgibt und sich stattdessen auf die Unmittelbarkeit der anarchistischen Praxis und eine präfigurative Politik der direkten Aktion in der Gegenwart konzentriert“.76 Darüber hinaus lässt sich in solchen Statements häufig der Wunsch nach einem nicht dominierenden sozialen Umfeld als Hauptmotiv erkennen. Die individuelle Befreiung und der soziale Kampf liefern in diesen Äußerungen jeweils die Motivation des jeweils anderen. In Anlehnung an den Goldman zugeschriebenen Slogan: „Wenn ich nicht tanzen kann, ist das nicht meine Revolution“77, wendet sich dieser Ansatz anarchistischer Praxis weg von einer Politik der Selbstaufopferung hin zu einer Politik der Selbstverwirklichung und des revolutionären Lebensstils.

Diese Hinwendung zur Gegenwart wurde oft kontrovers diskutiert78 und als ein Symptom dafür beschrieben, dass sich Netzwerke von Aktivisten zu reinen Kulturszenen entwickeln und die revolutionäre Politik zugunsten eigennütziger Bestrebungen aufgeben. Eine weiterere Kritik war, dass die kurzfristige Konzentration auf kulturelle Reproduktion und konfrontative Taktiken den Aufbau von Bewegungen und Klassensolidarität vernachlässigt.79 Hier unterscheidet sich meine eigene Kritik ein wenig. Ich würde behaupten, dass solche Äußerungen des „Präsentismus“ in ihrem Bestreben, eine leninistische Aufschiebung der revolutionären Ziele zu vermeiden, auch die Konsequenzen eines generativen temporalen Framings leichtfertig übergehen. Während die obigen Statements die Zukunft als „fern“, „mythisch“ oder „abstrakt“ abtun, geht von der Vorstellung langfristiger sozialer Szenarien oder dem Denken in Generationen keine Gefahr für die gelebte ethische Praxis aus. Stattdessen würde ich behaupten, dass der Präsentismus die Abneigung verdeckt, sich mit dem fehlenden Versprechen revolutionärer Errungenschaften auseinanderzusetzen, ebenso wie mit den düsteren Aussichten, die offensichtlich werden, wenn Aktivisten sich der Zukunft in generativer Weise nähern.

Für transformative Bewegungen ist die Vorstellung von der Zukunft nicht mehr durch traditionelle revolutionäre Erwartungen geprägt. Vor einem Jahrhundert oder noch früher konnten Anarchisten wie Bakunin, die die Revolutionen von 1848 und 1871 miterlebt hatten, noch erwarten, dass „wenn die Stunde der großen Revolution von neuem schlägt“,80 sie die „gleichzeitige revolutionäre Allianz und Aktion aller Völker der zivilisierten Welt“81 gegen die Reaktion herbeiführen würde. Auch Kropotkin war überzeugt, dass „in Europa eine große Revolution heranreift“, die „eine rasche Veränderung der überkommenen wirtschaftlichen und politischen Institutionen“ und „eine Verschiebung des Reichtums und der politischen Macht“ in einem kurzen Zeitraum „von mehreren Jahren“82 mit sich bringen werde. Solche Erwartungen bedurften keines Appells an die historische Unvermeidbarkeit; sie beruhten auf einem intuitiven Verständnis der Konfliktzyklen (cycles of contention)83 und einer – im Nachhinein betrachtet – zu hohen Erwartung an die generative Kraft von Massenbewegungen, die sich auf ihre materielle und kulturelle Basis stützen. Aus heutiger Sicht erscheint jedoch selbst eine solch zaghaft formulierte Verheißung der Revolution in den fortgeschrittenen kapitalistischen Ländern ziemlich weit hergeholt. Im vergangenen Jahrhundert hat es immer wieder demokratische und sozialistische politische Revolutionen sowie Militärputsche und Bürgerkriege gegeben, aber keine von ihnen hat eine klassenlose Gesellschaft hervorgebracht. Die enorme Zunahme der Militär- und Überwachungsmöglichkeiten der Staaten, die anhaltende Anziehungskraft des Nationalismus und die Einsicht, dass es kein zentrales Machtzentrum gibt, das wir für das letzte Gefecht in Angriff nehmen können, haben solche optimistischen Erwartungen gleichfalls obsolet werden lassen.

Noch entscheidender ist, dass jede generative Orientierung auf die Zukunft berücksichtigen muss, dass wir, da der weltweite Verbrauch von Ressourcen ungebremst weiter zugenommen hat und zunimmt, inzwischen gleich mehrere kritische globale Kipp-Punkte mit unserer industriellen Zivilisation überschritten haben. Deshalb müssen alle Erwartungen an den sozialen Wandel in eine Zukunft projiziert werden, die von einem unkontrollierten Klimawandel, der Erschöpfung der Energievorräte, dem Zusammenbruch von Ökosystemen, Ungleichheit, Entbehrungen und Konflikten geprägt sind. Ich bin der Ansicht, dass eine präfigurative Sprache in Ermangelung einer revolutionären Perspektive hier nur einen falschen Trost spenden kann, indem sie das Wissen über die sich zuspitzenden globalen Krisen ausblendet. Der Gefühlsbereich, der mit der Einstellung zur Zukunft verbunden ist und der über lange Zeit hinweg durch Rückversicherung und sogar durch erwartungsvollen Optimismus besetzt gewesen ist, wird nun von Angst, Frustration und Schuldgefühlen überlagert. Die „präfigurative“ Terminologie klammert diese Krise aus, indem sie eine explizite Zukunftsorientierung vermeidet und gleichzeitig, wenn auch nur vage, die Rückversicherung suggeriert, dass die vollendete Zukunft bereits heute auf die Aktionen der Aktivisten zurückstrahlt.

Die Leserinnen und Leser mögen selbst entscheiden, ob ich mit diesen Überlegungen richtig liege oder ob ich damit über das Ziel hinausschieße. So oder so scheint es in diesem Bereich dringend erforderlich zu sein, die generativen Framings zu überarbeiten, um der anhaltenden, instabilen und unumkehrbaren globalen Katastrophe Rechnung zu tragen.

Wenn jedoch der Begriff „präfigurative Politik“ tatsächlich aufgegeben werden sollte, was könnte ihn dann ersetzen? Eine Konzentration auf das Wesentliche, wie bei der Verwendung des Begriffes der „anti-hierarchischen Politik“, würde uns sicherlich weiterbringen. Aber können so die Einheit von Ziel und Mittel sowie die ethische Praxis noch produktiver gestaltet werden, und zwar in einer Weise, die (a) eher eine generative als eine rekursive Zeitebene suggeriert und (b) zu einer anderen Haltung als der der Rückversicherung ermutigt, die es uns ermöglicht, die Auseinandersetzung mit den sich zuspitzenden Krisen noch auszuhalten? Abschließend möchte ich eine erste Überlegung zu einer möglichen Herangehensweise an diese Frage anstellen und dabei auf Ernst Blochs Konzept der „konkreten Utopie“ zurückgreifen.

In seinem Hauptwerk Das Prinzip Hoffnung84 entwirft Bloch eine utopische und nicht-autoritäre Variante des marxistischen Denkens. Er blickt über die „Utopie“ als literarische Beschreibung einer Modellgesellschaft hinaus auf das, was er die „positive utopische Funktion“85 von Vorstellungen nennt, „die Vorhandenes in die zukünftigen Möglichkeiten seines Anders-Seins, Besserseins antizipierend fortsetzen“.86 Die Verankerung in der gegenwärtigen Realität unterscheidet solche Vorstellungen von dem, was Bloch den abstrakten Utopismus nennt, der von gesellschaftlichen Entwürfen bis zu persönlichen Tagträumen reicht.87 Das heißt, dass die konkrete Utopie „nicht in einem Leer-Möglichen herumspielt und abirrt, sondern ein Real-Mögliches psychisch vorausnimmt.“88 Die theologische Präfiguration und ihre nachklingenden Resonanzen gehören eindeutig in die abstrakte Kategorie. Im Unterschied dazu steht Blochs Noch-Nicht-Sein allen möglichen zukünftigen Zuständen der realen Welt gegenüber, während er aus den Tendenzen und Latenzen einer sich selbst transformierenden Gegenwart Hoffnung schöpft. Konkret-utopische Impulse entsprechen daher nicht der Phantasie, sondern der Hoffnung und dem Handeln:

„[…] [die] utopische Funktion als begriffene Tätigkeit des Erwartungsaffekts, der Hoffnungs-Ahnung hält die Allianz mit allem noch Morgendlichen in der Welt. Utopische Funktion versteht so das Sprengende, weil sie es selber in sehr verdichteter Weise ist: ihre Ratio ist die ungeschwächte eines militanten Optimismus. Item: der Akt-Inhalt der Hoffnung ist als bewusst erhellter, gewusst erläuterter die positive utopische Funktion [. . .]“89

Blochs temporales Framing des konkreten Utopismus ist generativ. Es handelt sich um ein Denkverhalten, das „das Andrängen einer antizipierbaren Gelungenheit in sich enthält“.90 Natürlich hält Bloch der marxistischen Tradition die Treue, und eine gewisse Verbundenheit mit ihrer Determiniertheit ist in seiner Darstellung der konkreten Utopie erkennbar. Seiner ideologischen Couleur getreu verleiht er der obligatorischen Ablehnung des Anarchismus, den er in Stirners und Proudhons „kleinbürgerlichen“ Auffassungen und in Bakunins ganzer „Monomanie von Autoritätshaß“91 verkörpert sieht, seinen gelehrten Glanz. Das anarchistische Freiheitsbild sei neben seinem Individualismus „ein Stück Zukunft in der Zukunft, zu dem nirgends gegenwärtige Voraussetzungen bestehen“,92 während „gewisse anarchische Motive […] sich bereits im Marxismus [finden], nur sinnvollerweise nicht als Gegenwartspostulate, sondern als Prophezeiungen und Konsequenzen.“93 Hier erweist sich Bloch selbst einen Bärendienst, indem er es versäumt, seine konkrete Utopie mit dem zu verbinden, was Boggs später die „präfigurative Tradition“ des Anarchismus und Rätekommunismus nennen wird. Mehr noch als der mentale Gehalt der Hoffnung ist es die Konstruktion von lebendigen Alternativen, die die positive utopische Funktion konkret zum Ausdruck bringt. Mit innerem Abstand zu den marxistischen Vorurteilen könnte eine „Politik der konkreten Utopie“ in der Tat die „präfigurative Politik“ als schillernde Bezeichnung für die Einheit von Mittel und Zweck ersetzen.

Während die Idee der konkreten Utopie die ethische Praxis erfolgreich mit einem generativen temporalen Framing verknüpft, erfordert Blochs hinzugefügtes Prinzip der Hoffnung, das sich aus dem Noch-Nicht-Sein ableitet, eine weitere Modifikation. Was wird aus diesem Prinzip, wenn sich die Antizipation nicht nur auf die Verwirklichung konkret-utopischer Bemühungen richtet, sondern auch auf die unvermeidlichen Folgen industrieller und neoliberaler Maßlosigkeit? Eine vielversprechende Antwort könnte in den Ideen der besorgten und der dramatischen Hoffnung zu finden sein, die Bürge Abiral in ihrer Arbeit94 mit Aktivistinnen und Aktivisten der praktischen Nachhaltigkeitsbewegung in der Türkei entwickelt hat. Es überrascht nicht, dass diese Aktivisten, die sich um die kommunale Nachhaltigkeit, die Bio-Sanierung, die Energiewende und die Entwicklung von Permakultur-Systemen kümmern, zu denjenigen gehören, die am stärksten auf die Prognosen über den bevorstehenden Kollaps der Welt reagieren. Abiral verbindet die Idee der „besorgten Hoffnung“ mit dem Quäntchen von Angst, die immer mit dem Glauben einhergeht, dass auch „kleine Handlungen wichtig sind, dass es noch nicht zu spät zum Handeln ist“.95

Angst ist nicht das Gegenteil von Hoffnung, sondern sie ist ihr Begleiter. Diese Hoffnung ruht jedoch auf dünnem Eis. Die erhofften Resultate, die mit der Hoffnung verbunden sind, und die erwünschten Effekte werden vielleicht niemals eintreten, und die Permakulturisten sind sich dessen durchaus bewusst. Anstatt sie in die Verzweiflung zu treiben, begleitet die Angst vor der Zukunft ihre hoffnungsvolle Zuversicht und treibt sie umso mehr zum Handeln in der Gegenwart an.

Neben der besorgten Hoffnung gibt es die dramatische Hoffnung, eine Auffassung, bei der sich „eine katastrophale Zukunftsperspektive mit der Überzeugung verbindet, dass trotz und wegen der sich anbahnenden Katastrophen sich weiterhin alles zum Guten wendet“.96 Die dramatische Hoffnung dient hier als Plan B, und sie bietet Beistand, auch wenn sie sich um die Worst-Case-Szenarien kurz vor der Zerstörung der Welt kümmert. Eine solche Hoffnung kann sich auf die Übernahme radikaler Alternativen und auch auf revolutionäre Optionen ausrichten, die sich aus der Dringlichkeit und den Anforderungen einer sich im Untergang befindlichen Welt ergeben. Insgesamt betrachtet bieten besorgte und dramatische Formen der Hoffnung vielversprechende Alternativen zu den Versuchungen der Rückversicherung, der Präfiguration und der Negation.

Die Hoffnung liegt in dem, was wir tun: Occupy the Farm im Jahr 2012.

Fazit

Die Entwicklung von Konzepten wird häufig vom Zufall bestimmt. Die Begriffe „links“ und „rechts“ sind offensichtliche Beispiele dafür, wie der bloße Zufall unser politisches Vokabular geprägt hat. Ein Konzept wird oft institutionalisiert, nicht wegen seines inneren Reichtums oder seiner Deutungsmacht, sondern nur wegen seines Auftauchens oder seiner Vereinnahmung in einem bestimmten Kontext und zu einer bestimmten Zeit, mit dem sich daraus ergebenden unumkehrbaren Prozess der Verbreitung und Wiederholung durch andere Autoren. Dies ist auch bei der präfigurativen Politik der Fall. In einer E-Mail-Korrespondenz bestätigte mir Boggs, dass er von selbst auf den Begriff gekommen sei, damals inspiriert von den Ideen von Gramsci und Bookchin, aber ohne zu wissen, dass der Begriff bereits von den Kirchenvätern oder von Gorz verwendet wurde. Aber selbst wenn wir zugestehen, dass der Begriff die sozialen Bewegungen in einem unterbrochenen Strang der Überlieferung (broken line of transmission) erreicht hat, bleibt seine zeitliche Resonanz in seiner wörtlichen Vorsilbe erhalten und dies wirft weiterhin beunruhigende Fragen für diejenigen auf, die den Begriff verwenden.

In Anlehnung an die wegweisende Untersuchung der Ethnologin Jane Guyer über temporale Framings als einem Bereich, in dem Individuen und Gruppen nach Verständlichkeit suchen, habe ich in diesem Beitrag versucht, das zu beleuchten, was sie im Konzept der präfigurativen Politik als die „immer noch schwelenden und neu auftauchenden Folgerungen und Dissonanzen“ bezeichnet, „die sich ihren Referenzbegriffen entziehen“.97 Indem ich die Hintergründe des Begriffs aufgedeckt habe, habe ich versucht, die gelebte ethische Praxis der Geisterhand der rekursiven Zeitlichkeit zu entreißen. Wenn wir diese Praxis im Sinne einer konkreten Utopie rekonstruieren, können wir ihr generatives Framing in der anar­chistischen Tradition besser verstehen und gleichzeitig die verwirrenden theologischen Vorstellungen von Rekursion ablegen, die mit dem Begriff „Präfiguration“ verbunden sind. Der von mir vorgeschlagene Ansatz zielt also darauf ab, sich trotz fehlender revolutionärer Perspektiven mit einer toxischen Zukunft zu beschäftigen, indem er sich auf die besorgte und dramatische Hoffnung stützt, die die Bemühungen um den Aufbau von Räumen der Freiheit, Gleichheit und Solidarität begleiten. Wenn wir in die Zukunft schauen, können wir uns nur auf uns selbst verlassen.

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  • Winstanley, Gerrard: “The Law of Freedom” and other Writings, ed. by Christopher Hill, Cambridge: Cambridge University Press, 2006 (online).

  • Yates, Luke_: Rethinking prefiguration: Alternatives, micropolitics and goals in social movements,_ in: Social Movement Studies, vol. 14 (2015), no. 1, pp. 1-21 (online, PDF).

  1. Der aus der Kommunikationswissenschaft stammende Begriff Framing bedeutet ganz allgemein formuliert, dass unterschiedliche Formulierungen desselben Inhalts das Verhalten des Empfängers unterschiedlich beeinflussen. Als deutschen Ausdruck könnte man für Framing auch den Begriff Deutungs- oder Interpretationsrahmen benutzen. Framing findet statt, wenn jemand einen Sachverhalt aus dem Blickwinkel seines Interesses interpretiert. Statt „Framing“ könnte man auch „Weltsicht“ sagen, und zwar eine Sicht der Welt, die sich durch bestimmte Ausdrücke manifestiert. Anm. d. Übers. 

  2. Der Begriff Rückversicherung besitzt eine Vielzahl unterschiedlicher Bedeutungen. In der vom Autor in Anlehnung an Reinhart Koselleck in diesem Beitrag verwendeten geschichtsphilosophischen Bedeutung des Begriffes wird unter Rückversicherung die aus der Geschichte abgeleitete Legitimation für das gegenwärtige und auf die Zukunft ausgerichtete politische Handeln von Menschen verstanden. So definiert, kann die Rückversicherung wie folgt beschrieben werden: „Wenn die handelnden Menschen jetzt die politische oder soziale Zukunft planen, dann planen sie den Vollzug der Geschichte. Das bedeutet, man will etwas vollstrecken, das sich über kurz oder lang ohnehin von selbst ergäbe. Damit schafft man erstens eine große Legitimation für jegliches politische Vorhaben. Das eigene Bestreben wird legitimiert und erhält zudem zusätzliche Schubkraft, da man nur vollstreckt, was sowieso passiert. Zweitens erhält der Handelnde eine Art Rückversicherung. Die zukünftige Geschichte dient der eigenen Entlastung. Wenn man nur Vollstrecker der ‚Geschichte selbst‘ ist, trägt man selbst keine Verantwortung.“ (Tobias Albrecht: Zwischen totalitärer Erfahrung und endzeitlicher Erwartung. Zum Geschichtsbegriff Reinhart Kosellecks, in: Selected Student Papers, RWTH Aachen, Institut für Politische Wissenschaft, 2012, Nr. 34, S. 14. Anm. d. Übers. 

  3. Für ihre hilfreichen Kommentare danken wir Ben Franks, Francis Dupuis-Déri und den Zuhörern im House of Bugaboo und auf der Sydney Anarchist Bookfair, wo frühere Versionen des Beitrags präsentiert wurden. 

  4. Unter dem Begriff Altermondialismus (abgeleitet von frz. „altermondialisme“, d. h. „andere Globalisierung“) versteht man eine Variante der Globalisierungskritik, welche die Globalisierung an und für sich befürwortet, aber deren „neoliberale“ Erscheinungsformen, also die „Globalisierung von oben“ ablehnt. Stattdessen setzen sich die Altermondialisten für eine „Globalisierung von unten“ durch die grenzüberschreitende Zusammenarbeit sozialer Bewegungen und Basisinitiativen ein. Anm. d. Übers. 

  5. Zur Erklärung des Begriffs Framing siehe Anm. 1; Anm. d. Übers. 

  6. Vgl. Benjmain Franks : Anti-fascism and the ethics of prefiguration, in: Affinities. A Journal of Radical Theory, vol. 8 (2014), no. 1, pp. 44-72 (online, PDF)</a> 

  7. Gabriel Kuhn: Revolution ist mehr als ein Wort: 23 Thesen zum Anarchismus in: Alpine Anarchist Productions, Mai 2016 

  8. Cindy Milstein: Reclaim the Cities: From Protest to Popular Power, in: Perspectives on Anarchist Theory, vol. 4 (2000), no. 2, p. 8 

  9. The Enemy of Nature: The End of Capitalism or the End of the World?</em> Reviewed by Brian Tokar, in: Tikkun Magazine, Jan.-Feb. 2003 (online

  10. John Carter and Dave Morland: Anti-Capitalist Britain, Cheltenham, New Clarion, 2004, p. 79. 

  11. Steven M. Buechler: Social movements in advanced capitalism. The political economy and cultural construction of social activism, New York: Oxford University Press, 2000, p. 207. 

  12. Der Begriff Rekursion leitet sich vom spätlateinischen Wort recursio ab, das auf das lateinische Verb recurrere‎ (zurücklaufen) zurückgeht. Der vor allem in der Mathematik und in der Programmierung, aber auch in der Psychologie verwendete Begriff wird benutzt, um einen prinzipiell unendlichen Vorgang zu bezeichnen, der sich selbst als Teil enthält oder mithilfe von sich selbst definierbar ist. Ein Beispiel für die Rekursion ist das Phänomen der unendlichen Spiegelung, das entsteht, wenn eine Person mit einem vorgehaltenen Spiegel gegenüber einem größeren Wandspiegel sitzt. Das jeweils folgende Spiegelbild enthält sich selbst als Teil. Anm. d. Übers

  13. Brief an die Hebräer 10: 1. 

  14. Henri De Lubac H: Catholicism: Christ and the Common Destiny of Man, [1938], San Francisco: Ignatius Press, 1988, p. 174. 

  15. Brief des Paulus an die Römer 5: 14. 

    1. Brief des Paulus an die Korinther 10: 6.

  16. Erich Auerbach: Figura, [ins Engl. übers. nach der Ausgabe in: Neue Dantestudien, Istanbul 1944], in: Ders.: Scenes from the Drama of European Literature, Manchester: Manchester University Press, 1984, pp. 11–78 [hier und im Folgenden zitiert nach der deutschen Ausgabe: Figura (1938), in: Ders.: Gesammelte Aufsätze zur romanischen Philologie, hrsg. und ergänzt um Aufsätze, Primärbibliographie und Nachwort von Matthias Bormuth und Martin Vialon, Tübingen: A. Francke Verlag, 2018, S. 55-90]. 

  17. Vgl. Das Buch Numeri (4. Buch Mose) 13: 16. 

  18. Tertullian: Adversus Marcionem (Against Marcion), [um 207 n. Chr.], (online). [Hier zitiert nach der deutschen Ausgabe: Tertullian: Gegen Marcion, übersetzt von Dr. K. A. Heinrich Kellner (online) 

  19. Auerbach: Figura, [1944] 1984, p. 34. [hier zitiert nach der deutschen Ausgabe: Auerbach: Figura (1938), 2018 (vgl. Anm. 17) S. 67]. 

  20. Der Armenier Irenäus von Lyon (ca. 135 bis ca. 200 n. Chr.) war der zweite überlieferte Bischof in Lugdunum in der römischen Provinz Gallien. Er gilt als einer der frühen Kirchenväter und bedeutendsten Theologen des Christentums des 2. Jahrhunderts. Anm. d. Übers. 

  21. Zit. n. William Wigan Harvey (ed.): Sancti Irenaei episcopi lugdunensis libros quinque adversus haereses, Cambridge: Typis Academicis, 1857 (online). [Hier zitiert nach der deutschen Ausgabe: Irenäus: Gegen die Häresien (Adversus Haereses), in: Des heiligen Irenäus fünf Bücher gegen die Häresien, München: Kösel, 1912 (= Bibliothek der Kirchenväter, 1. Reihe, Bd. 3) (online)]. 

  22. Hieronymus: Epistulae Briefe (BKV), IV.a. Briefe wissenschaftlichen Inhaltes: Didaktische Briefe, 53. An den Priester Paulinus (online)</a>. 

  23. Das Deuteronomium ist das fünfte Buch des Pentateuch (die griechische Bezeichnung für die Tora, des ersten Teils des Tanach, der hebräischen Bibel), das in den meisten evangelischen Bibelübersetzungen als das „Fünfte Buch Mose“ bezeichnet wird. Das Buch beschreibt den letzten Tag im Leben Mose. 

  24. Nach Jacques Paul Migne: Patrologia Latina, Paris: Garnier, 1845, Bd. 22, S. 540–549. 

  25. Auerbach: Figura [1944], 1984, p. 43 [hier zitiert nach der deutschen Ausgabe: Auerbach: Figura (1938), 2018 (vgl. Anm. 17), S. 70]. 

  26. Vgl. Augustinus von Hippo (354-430): Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat (De Civitate Dei) 

  27. Nach Migne: Patrologia Latina, (1845), Bd. 41 (vgl. Anm. 25), S. 445. 

  28. Nach ebd., S. 536 f. 

  29. Matthäus 3: 11. 

  30. Auerbach: Figura, [1944] 1984, p. 58–59 [hier zitiert nach der deutschen Ausgabe: Auerbach: Figura (1938) 2018 (vgl. Anm. 17), S. 79]. 

  31. Gerrard Winstanley and the Diggers: The True Levellers Standard Advanced (1649) (online). [Siehe zu Gerrard Winstanley und der Bewegung der Diggers auch: Gernot Lennert: Diggers, in: Lexikon der Anarchie (online); Anm. d. Übers.]. 

  32. Gerrard Winstanley: The True Levellers Advanced, [1649], in: Gerrard Winstanley: “The Law of Freedom” and other Writings, ed. by Christopher Hill, Cambridge: Cambridge University Press, 2006, p. 88. [(online)](https://www.marxists.org/reference/archive/winstanley/1649/levellers-standard.htm) 

  33. Ebd. (vgl. Anm. 33), p. 84 (online) 

  34. Ebd. (vgl. Anm. 33), p. 90 (online)</a> 

  35. Ebd. (vgl. Anm. 33) (online)</a> 

  36. Reinhart Koselleck: Über die Verfügbarkeit von Geschichte, in: Ders.: Vergangene Zukunft. Zur historischen Semantik historischer Zeiten, Frankfurt am Main: Suhrkamp, 2003, S. 270. 

  37. Ebd. (vgl. Anm. 37), S. 269. 

  38. Ebd. (vgl. Anm. 37). 

  39. André Gorz: The Way Forward, in: New Left Review, vol. 1 (1968), no. 52, pp. 47-66 (online)</a>). 

  40. Ebd. (vgl. Anm. 40), p. 48. 

  41. Ebd. (vgl. Anm. 40), p. 51. 

  42. Ebd. (vgl. Anm. 40), p. 58. 

  43. Ebd. (vgl. Anm. 40), p. 61. 

  44. Carl Boggs: Marxism, Prefigurative Communism, and the Problem of Workers’ Control, in: Radical America, vol. 11 (1977), no. 6 / vol. 12 (1978), no. 1, pp. 99-122 (online), PDF 

  45. Das Digitalisat dieser in der Geschichte der US-amerikanischen Neuen Linken wichtigen Zeitschrift findet sich in dem Digital Repository der Bibliothek der Brown University, Providence, Rhode Island/USA (online), Anm. d. Übers. 

  46. Center for Digital Scholarship: [Introduction to] Radical America, 1967-1999, [n. d.], (online) 

  47. Boggs: Marxism, Prefigurative Communism (1977) (vgl. Anm. 45), p. 101. 

  48. Carl Boggs: Revolutionary Process, Political Strategy, and the Dilemma of Power, in: Theory & Society, vol. 4 (1977), no. 3, pp. 359-393 (online) 

  49. Ebd. (vgl. Anm. 49), p. 359. 

  50. Wini Breines: Community and Organization: The New Left and Michels‘ “Iron Law”, in: Social Problems, vol. 27 (1980), no. 4, pp. 419-429 (online) 

  51. Wini Breines: Community and Organization in the New Left, 1962-1968, New Brunswick, New Jersey/USA: Rutgers University Press, 1989. 

  52. Breines: Community and Organization (1980) (vgl. Anm. 51), p. 421. 

  53. Wladimir Iljitsch Lenin: Staat und Revolution [1917], in: Ders.: Werke, Bd. 25, Berlin: Dietz Verlag, 1974, S. 476 (online)

  54. Vgl. Breines: Community and Organization in the New Left (1989) (vgl. Anm. 52), p. 14. 

  55. Boggs: Revolutionary Process (1977) (vgl. Anm. 49), p. 382. 

  56. Boggs: Marxism, Prefigurative Communism (1977) (vgl. Anm. 45), p. 100. 

  57. Ebd. (vgl. Anm. 45), p. 105. 

  58. Ebd. (vgl. Anm. 45), p. 103. 

  59. Ebd. (vgl. Anm. 45), p. 104. 

  60. Ebd. (vgl. Anm. 45), p. 105. 

  61. Circular to all the Federations of the International Association of Workers or The Sonvilier Circular, Sonvilier 12 November 1871, (online) [hier zitiert nach der deutschen Übersetzung: Das Jurazirkular vom 12. November 1871 in: Michael Bakunin: Gesammelte Werke, hrsg. von Max Nettlau, Berlin: Verlag „Der Syndikalist“, 1924, Bd. 3, S. 164-169]. 

  62. La première Internationale. Recueil de documents publié sous la direction de Jacques Freymond, Bd. 2, Genf: Librarie E. Droz, 1962, S. 265; [hier zitiert nach der deutschen Übersetzung in Bakunin: Gesammelte Werke, Bd. 3 (1924) (vgl. Anm. 62), S. 169]. 

  63. Michail Aleksandrovič Bakunin (1814-1876), russischer Revolutionär und neben Pierre-Joseph Proudhon und Pjotr Kropotkin einer der ideologisch einflussreichsten Begründer des organisierten, mit der Arbeiterbewegung verbundenen Anarchismus und herrschaftslosen Sozialismus. Näheres zu Leben und Werk siehe: Wolfgang Eckhardt: Michail Aleksandrovič Bakunin, in: Lexikon der Anarchie (online); Anm. d. Übers. 

  64. Michael Bakunin: The Program of the Alliance (1871), in: Bakunin on Anarchy. Selected Works of the Activist-Founder of World Anarchism, ed. by Sam Dolgoff, New York: Random House, 1971, p. 258 (online)

  65. Mikhail Bakunin: The Paris Commune and the Idea of the State (1871), (online) [hier zit. nach der deutschen Übersetzung: Die Commune von Paris und der Staatsbegriff, in: Michael Bakunin: Gesammelte Werke, hrsg. von Max Nettlau, Berlin: Verlag „Der Syndikalist“, 1924, Bd. 2, S. 274-276.] 

  66. Der russische Geograph, Naturkundler und Revolutionär Pjotr A. Kropotkin (1842-1921) gilt als Begründer des kommunistischen Anarchismus. Weitreichenden Einfluss gewann er auch durch seine gegen den Sozialdarwinismus gerichteten Untersuchungen über die Gegenseitige Hilfe als bedeutendem Faktor biologischer und sozialer Evolution. Zu Kropotkin siehe auch den in der vorliegenden Ausgabe veröffentlichten Beitrag von Stephan Krall: Der Naturwissenschaftler und Anarchist Peter Kropotkin. Eine Würdigung zum 100. Todestag, S. 244-269. Anm. d. Übers. 

  67. Peter Kropotkin: Act for Yourselves. Articles from Freedom, 1886–1907, ed. by Nicolas Walter and Heiner Becker, London: Freedom, 1988. pp. 32-33. 

  68. Emma Goldman (1869-1940) war eine der prominentesten US-amerikanischen Anarchistinnen, und sie gilt als Wegbereiterin des Anarchafeminismus. 1919 wurde Emma Goldman zusammen mit ihrem Lebensgefährten Alexander Berkman und anderen Linksradikalen aus den USA deportiert. Beide gingen ins Exil in das revolutionäre Russland. Doch schon zwei Jahre später verließen sie die Sowjetunion, bitter enttäuscht von den nicht-revolutionären Zuständen und der immer repressiver werdenden Diktatur der Bolschewiki. Die beiden bereisten in der Folgezeit Europa, wo sie in Vorträgen über ihre Erfahrungen in Russland berichteten und Hilfskampagnen für die inhaftierten Anarchisten in Sowjetrussland organisierten. Siehe auch: Hans Ulrich Grunder: Emma Goldman, in: Lexikon der Anarchie (online) 

  69. Emma Goldman: My further Disillusionment in Russia, New York: Doubleday, Page & Company, 1924 (online) 

  70. Ebd. (vgl. Anm. 70), p. 175. 

  71. Ebd. (vgl. Anm. 70), p. 174. 

  72. Ebd. (vgl. Anm. 70), p. 177 f. (Hervorhebungen im Original). 

  73. Vgl. Auerbach: Figura, [1944] 1984. p. 58 [in der deutschen Ausgabe: Auerbach: Figura (1938), 2018 (vgl. Anm. 17), S. 79]. 

  74. Goldman: My further Disillusionment in Russia (1924) (vgl. Anm. 70), p. 175. 

  75. Simon Springer: Why a radical geography must be anarchist, in: Dialogues in Human Geography, vol. 4 (2014), no. 3, pp. 249-270 (online, PDF) 

  76. Vgl. Alix Kates Shulman: Dances with Feminists, in: Women’s Review of Books, vol. 9 (1991), no. 3, (online) 

  77. Siehe Laurence Davis: Social Anarchism or Lifestyle Anarchism. An Unhelpful Dichotomy, in: Anarchist Studies, vol. 18 (2010), no. 1, pp. 62-82 (online, PDF) 

  78. Juan Conatz: Between infoshops and insurrection: U.S. anarchism, movement building, and the racial order, in: libcom.org, 31.03.2012 (online) 

  79. Michael Bakunin: Revolutionary Catechism, in: Bakunin on Anarchism, ed. by Sam Dolgoff, New York: Knopf, 1966, p. 85. [hier zitiert nach der deutschen Fassung: Prinzipien und Organisation der Internationalen Revolutionären Gesellschaft (1866), in: Michael Bakunin: Gesammelte Werke, hrsg. von Max Nettlau, Berlin: Verlag „Der Syndikalist“, 1924, Bd. 3, S. 16 

  80. Bakunin: Revolutionary Catechism, pp. 96 [hier zitiert nach der deutschen Fassung in Bakunin: Gesammelte Werke, Bd. 3 (1924) (vgl. Anm. 81), S. 29.]. 

  81. [Peter Kropotkin:] What Revolution means, in: Freedom, vol. 1 (1886), no. 2, p. 1 f. 

  82. Der Begriff Konfliktzyklus (auch bekannt als Protestzyklus) wird verwendet, um den zyklischen Anstieg und Rückgang in der Entwicklung und in den Aktivitäten sozialer Bewegungen zu definieren. Der amerikanische Politologe Sidney Tarrow definierte sie als „eine Phase erhöhter Konflikte im gesamten sozialen System“, die insbesondere durch die rasche Verbreitung des Protests in der Gesellschaft, die Innovation der Protestformen, die Intensivierung der Interaktion zwischen Protestierenden und Autoritäten sowie durch „Schaffung neuer oder veränderter kollektiver Frames; einer Kombination aus organisierter und unorganisierter Partizipation; und Sequenzen intensivierten Informationsflusses und Interaktion zwischen Protestierenden und Autoritäten“ gekennzeichnet ist. (Vgl. Sidney Tarrow: Power in Movement. Social Movements and Contentious Politics, New York: Cambridge University Press, 2011, p. 142.) Anm. d. Übers. 

  83. Ernst Bloch: Das Prinzip Hoffnung, Band 1-3, Frankfurt am Main: Suhrkamp, 1973. Die folgenden Bloch-Zitate sind ebenfalls der deutschsprachigen Originalausgabe dieses Werkes entnommen. Anm. d. Übers. 

  84. Ebd., Bd. 1 (vgl. Anm. 85), S. 166. 

  85. Ebd., Bd. 1 (vgl. Anm. 85), S. 163 f. 

  86. Vgl. Ruth Levitas: Ernst Bloch on Abstract and Concrete Utopia, in: Utopian Studies vol. 1 (1990), no. 2, pp. 13–26. (online, PDF) 

  87. Ernst Bloch: Das Prinzip Hoffnung, Bd. 1 (vgl. Anm. 85), S. 164. 

  88. Ebd., Bd. 1 (vgl. Anm. 85), S. 166. 

  89. Ebd., Bd. 1 (vgl. Anm. 85), S. 169. 

  90. Ebd., Bd. 2 (vgl. Anm. 85), S. 667. 

  91. Ebd., Bd. 2 (vgl. Anm. 85), S. 669. 

  92. Ebd., Bd. 2 (vgl. Anm. 85), S. 669 f. 

  93. Bürge Abiral: Catastrophic Futures, anxious Presents: Lifestyle Activism and Hope in the Permaculture Movement in Turkey (Diss.), Istanbul: Sabancı University, 2015, p. 93. (online, PDF)

  94. Ebd. (vgl. Anm. 95), p. 93. 

  95. Ebd. (vgl. Anm. 95), p. 97. 

  96. Jane I. Guyer: Prophecy and the near future: Thoughts on macroeconomic, evangelical, and punctuated time, in: American Ethnologist, vol. 34 (2007), no. 3, p. 410 (online, PDF)