The Writing on the Wall

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Neue CrimethInc. Textsammlung auf deutsch

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Anfang Dezember ist im Unrast Verlag eine von der bm-crew übersetze Textsammlung von uns erscheinen. Wir veröffentlichen hier unser Vorwort und einen Überblick über den Inhalt.

Diese Seite wird auch nach erscheinen des Buches weiter gepflegt. Wir werden einzelne Empfehlungen zum weiterlesen, Termine für Lesungen, Multimedia-Beiträge und Buchbesprechungen hier einbinden.

Wenn ihr Lust habt Texte von uns zu übersetzen, eine Buchbesprechung zu schreiben (und dazu ein Lese-Exemplar wollt) oder interessiert seid uns bei zukünftigen Übersetzungen zu helfen – schreibt uns.

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Das Buch: bei Black Mosquito bei Unrast

Inhalt:

Die Kapitel: - Anarchie - Revolutionäre Bewegung - Streifzüge - Berichte


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Inhalt

Einleitung

Keine Regierung verfügt über inhärente Autorität. Kein Vertrag, kein Verfahren und keine Tradition können legitime Ansprüche an uns stellen – außer jenen, denen wir freiwillig zugestimmt haben. Kein Gesetz sollte unser Gewissen außer Kraft setzen. Anstatt irgendeine Verteidigung nach Art der der Nürnberger Prozesse (»Ich habe nur Gesetze und Befehle befolgt«) zu verfolgen, um unsere Entscheidungen – seien sie religiöser, politischer, wirtschaftlicher oder rechtlicher Natur – zu entschuldigen, müssen wir die persönliche Verantwortung für die Auswirkungen unseres Handelns auf die Welt übernehmen.

Geschichte ist kein unaufhaltsamer, in Stein gemeißelter, starr ablaufender Prozess. Sie entsteht aus dem chaotischem Zusammenspiel unzähliger Kräfte, einschließlich unserer eigenen. ›Theorie‹ hat keinen Wert, außer als eine Sammlung von Hypothesen, die wir im Laufe unserer Interventionen ständig prüfen und verfeinern. Revolutionäre Analyse darf nicht die Domäne einer Priesterklasse sein, die Marx so zitiert, wie frühere Ideologen die Bibel zitierten. Sie kann nur denen gehören, die im Prozess des Versuchs, die Welt zu verändern, etwas über sie lernen.

Wenn wir handeln, handeln wir ohne Garantien. Wir können uns über das Ergebnis nicht im Voraus sicher sein; das Ende dieser Geschichte muss noch geschrieben werden. Wir riskieren alles, weil wir wissen, dass der Tod sowieso unausweichlich ist. Zu leben – die volle Entfaltung unseres kollektiven Potenzials zu erreichen, trotz einer Gesellschaftsordnung, die uns isoliert und verkümmert – das ist jedoch die wertvollste Sache, die es gibt.

Das ist es, was wir meinen, wenn wir sagen, dass wir Anarchist:innen sind.

Wir glauben, dass es das Edelste ist, mit anderen Menschen als Gleichberechtigte zusammenzuarbeiten und nicht als Autoritäten gehorchende oder befehlende Subjekte abzugeben. Lasst keine:n über uns sein – und keine:n unter uns. Wir glauben, dass alle von der Abschaffung von Hierarchien profitieren, auch diejenigen, die angeblich von ihnen profitieren. Indem sie uns voneinander und vom Schönsten in uns selbst entfremden, entziehen sie unserem Leben seinen Sinn. Anarchismus ist für uns nicht die Blaupause einer möglichen zukünftigen Welt, sondern die Notwendigkeit, in den Konflikten, die heute stattfinden, Partei zu ergreifen – mit dem Ziel, die Mechanismen der Ungleichheit außer Kraft zu setzen und zu versuchen, überall, wo es möglich erscheint, Selbstbestimmung und Solidarität zu fördern und zu verwurzeln.

Unserer Erfahrung nach sind unregierbare Graswurzelbewegungen, die sich auf direkte Aktionen stützen, weitaus effizienter und effektiver als legalistische Top-down-Kampagnen, die sich auf Reformen konzentrieren. Wenn wir uns darauf beschränken, bei den jeweiligen Machthabenden Petitionen für Veränderungen einzureichen, wird es immer rivalisierende Bittsteller:innen geben, die sie wirksamer bestechen können als wir. Nur wenn wir zeigen, dass wir in der Lage sind, die von uns gewünschten Veränderungen direkt durchzusetzen, werden die Politiker:innen uns hinterherrennen und eilig die Zugeständnisse anbieten, von denen sie befürchten, dass wir sie mit Gewalt erzwingen werden. Wenn wir die Veränderungen, die wir uns wünschen, jedoch selbst durchsetzen können – dann brauchen wir sie ohnehin nicht mehr.

Diese These wurde, kurz bevor dieses Buch in Druck ging, noch einmal bestätigt: als Rebell:innen in Reaktion auf den Mord an George Floyd das Dritte Polizeirevier von Minneapolis niederbrannten. Bis zu dem Zeitpunkt, als die Menschen sahen, wie die ›Randalierer:innen‹ die Polizei gewaltsam niederrangen, war es undenkbar, dass der politische Mainstream-Diskurs in den Vereinigten Staaten jemals den Vorschlag zur Abschaffung der Polizei aufgreifen könnte. Erst danach wurde die Abschaffung der Polizei zu einem breit diskutierten Thema, das es den Liberalen verunmöglichte, die Bewegung gegen die Polizei zu verwässern.

Unser größtes Hindernis ist, dass wir unsere eigene Stärke nicht kennen.

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Die Zeiten, in denen wir schrieben, die Zeiten, die kommen

Dieses Buch versammelt eine Auswahl unserer Arbeit von 2012 bis 2020.

Unser Kollektiv publiziert seit Anfang der 1990er Jahre. Als wir vor einem Vierteljahrhundert mit diesem Projekt begannen, manifestierte sich der Anarchismus vor allem als eine Verweigerung des Paradieses. Der neoliberale Kapitalismus und die staatliche Demokratie schienen durch das, was Francis Fukuyama »das Ende der Geschichte« nannte, zu triumphieren. Wir jedoch – willentlich verdammte Seelen – lehnten die Utopie, die sie uns als Fata Morgana anboten, ab. »Besser Selbstbestimmung in der Hölle als Dienst im Himmel«, erklärten wir wie Miltons Satan, weigerten uns, uns auf dem Markt zu verkaufen, und zogen ein prekäres Dasein am Rande der Gesellschaft vor.

Fukuyama und seine Kumpane dachten, sie seien mit der Geschichte fertig, aber die Geschichte war nicht mit ihnen fertig. Wie wir gewarnt haben, kann ein globales System, das von dem Imperativ des Profits bestimmt wird, die große Mehrheit der Menschheit schrittweise verarmen lassen und gleichzeitig die Macht in den Händen der Raubgierigsten konzentrieren. Heute sind die katastrophalen Auswirkungen des neoliberalen Kapitalismus für alle sichtbar, und immer mehr Menschen greifen die Taktiken auf, die wir jahrzehntelang verfeinert haben.

In den dargestellten Jahren haben wir Netzwerke aufgebaut, die sich über fünf Kontinente und Dutzende von Sprachen erstrecken. Gemeinsam versuchen wir, die strategischen Fragen, vor denen wir stehen, zu durchdenken und unsere Erfahrungen in verschiedenen Kämpfen und Kontexten zu vergleichen, um neue Vorschläge für den Einsatz in sozialen Bewegungen zu formulieren. Wie die globale anarchistische Bewegung als Ganzes haben wir keine Parteilinie, sondern nur die intellektuelle Vielfalt der Debatte und die gemeinsame Entschlossenheit, eine Welt zu schaffen, in der kein Mensch einen anderen regieren kann.

Die letzte globale Welle der Revolte entwickelte sich unmittelbar aus der letzten Rezession. Sie begann mit dem griechischen Aufstand Dezember 2008, einem Vorläufer des sogenannten ›Arabischen Frühlings‹ und der verschiedenen Bewegungen der Besetzungen. Wahrscheinlich endete sie 2014 mit der Übernahme der Aufstände in Brasilien und der Ukraine durch Nationalisten und mit der Militarisierung und endgültigen Niederlage der revolutionären Bewegung in Westsyrien. In unserem Buch From Democracy to Freedom haben wir einige der Grenzen untersucht, an die diese Bewegungen stießen. Grenzen an die sie stießen, als sie sich darauf konzentrierten, neue Regierungsinstitutionen zu legitimieren, anstatt den Aufstand bis zu seinem logischen Ende durchzuziehen.

Sechs Jahre lang haben wir die bitteren Früchte dieser Niederlage in Form einer globalen Welle der Reaktion geerntet. So wie das Verschwinden der ›Antiglobalisierungs‹-Bewegung um die Jahrhundertwende es Nationalisten wie Donald Trump ermöglichte, mit einer Selbstdarstellung als Gegner des Neoliberalismus an die Macht zu gelangen; so ermöglichte das Scheitern des Widerstands im Gezi Park Erdoğan in der Türkei eine Autokratie zu errichten und in Rojava einzumarschieren – ähnliche Tragödien haben sich überall auf der Welt abgespielt. Diese Welle der Reaktion hat viele Formen angenommen, von der Konsolidierung der Einparteiendiktaturen in Russland und China über nationalistische Wahlsiege in den Vereinigten Staaten und Brasilien bis hin zu einem Wiederaufleben der autoritären Politik innerhalb der Linken.

Doch jede Ordnung, die nicht das Ganze umfasst, führt unweigerlich zu ihrer eigenen Opposition. Jahre des nackten Kapitalismus haben eine Bitterkeit gefördert, die noch kein politisches Ventil gefunden hat. Während sich eine Minderheit von Menschen zum offenen Faschismus hingezogen fühlt, hat eine größere Zahl den Glauben an die Politik der Wahlen völlig verloren, ohne eine Alternative zu finden, in der sie sich engagieren könnte. Es liegt an uns, ein Modell dafür zu liefern, was sie mit ihrer Wut tun können.

Ende 2018 begann mit dem Aufkommen der Gilets Jaunes in Frankreich eine neue Phase der Unruhen. Zunächst war diese Bewegung wenig vielversprechend, da sie ›unpolitische‹ Bürger:innen einschließlich rechtsextremer Elemente gegen eine neoliberale, zentristische Regierung aufbrachte, die wiederum versuchte, die Kosten ihrer ›ökologischen‹ Politik auf die Arbeiterklasse abzuwälzen. Aber in den ersten Wochen nutzten Anarchistinnen und andere Rebellen den ›Vandalismus‹, um einen Raum zu schaffen, in dem eine antikapitalistische Strömung Fuß fassen konnte. Im Laufe des folgenden Jahres brachen Aufstände in Hongkong, Sudan, Haiti, Ecuador, Chile, Honduras, Libanon, Irak, Katalonien und anderswo aus. Fast alle wurden durch die Erhöhung der Lebenshaltungskosten ausgelöst (eine Treibstoffsteuer in Frankreich und Ecuador, eine Steuer auf WhatsApp im Libanon, eine Erhöhung der U-Bahn-Tarife in Chile), was bestätigt, dass die wirtschaftliche Erholung von der Rezession des Jahres 2008 den einfachen Menschen wenig genützt hat. Auf einer tieferen Ebene wurden die Revolten von Fragen nach der Legitimität der Autorität angetrieben, auch wenn diese Fragen verzerrte Formen annahmen, wie z.B. Forderungen nach einer unabhängigen nationalen Souveränität.

So wie der Aufstand 2008 in Griechenland die Revolutionen vorwegnahm, die zwei Jahre später in Tunesien begannen, ahnten wir, dass die Unruhen von Hongkong bis Chile eine weitere globale Welle der Revolte ankündigten. Doch in den Vereinigten Staaten begann das Jahr 2020 in einer politischen Einöde. Die Anarchist:innen waren nach drei Jahren des Gerangels um eine Antwort auf die herrschenden Gräueltaten erschöpft, und viele von denen, die zu Beginn von Trumps Präsidentschaft mit uns auf die Straße gegangen waren, hatten sich zurück auf die Suche nach staatlichen Lösungen begeben – die Leute der ›Mitte‹ verfolgten eine dem Untergang geweihte Strategie der Partnerschaft mit dem FBI, um Trump anzuklagen, während die Sozialist:innen ihre ebenso naive Kampagne zur Wahl von Bernie Sanders zum Präsidenten wieder aufnahmen.

Als die COVID-19-Pandemie über die Welt hereinbrach, waren all diese Bemühungen gescheitert. Trump verschärfte die Situation und ergriff die Gelegenheit, mitten in der schlimmsten wirtschaftlichen Rezession seit Menschengedenken Milliarden von Dollar an die reichste Schicht der Gesellschaft zu überweisen. Millionen von Menschen in den USA, neben Milliarden weltweit, verbrachten die Zeit von Mitte März bis Ende Mai isoliert in der Betrachtung ihrer eigenen Sterblichkeit und vor Wut schäumend über die Grausamkeit ihrer Herrscher. Nie war es klarer, dass die Institutionen der Herrschaft das Leben der einfachen Menschen grundlegend zerstören.

Als ein Video zirkulierte, das den sinnlosen Mord an George Floyd durch die Polizei von Minneapolis zeigte, erkannten diejenigen, die am meisten unter Rassismus und Armut leiden, dass jetzt oder nie der Zeitpunkt gekommen war. Heldenhaft setzten sie überall in den USA ihr Leben aufs Spiel, um ihre Unterdrücker anzugreifen – und Millionen aufrührerischer Verrückter aller Klassen und Hintergründe zogen mit ihnen durch die Städte, griffen die Polizei an, verbrannten Polizeiautos, blockierten Autobahnen und plünderten Einkaufsviertel. Inmitten der Pandemie spürten selbst weiße Liberale aus der Mittelschicht die Tragödie des Todes von George Floyd am eigenen Leib. Da das Virus Menschen aus allen Gesellschaftsschichten betraf, hatte es einige der Mechanismen außer Kraft gesetzt, die normalerweise verhindern, dass sich die Privilegierten mit den am stärksten Ausgegrenzten identifizieren können.

Trump und andere Politiker:innen haben sich schockiert über die Unruhen nach der Ermordung von George Floyd geäußert und behauptet, Anarchist:innen hätten sie koordiniert. Tatsächlich hat die herrschende Klasse mehr getan, um die Unruhen zu provozieren, als wir es je könnten. Es war die Politik des Staates selbst, die die kollektive Intelligenz verbreitete, die die Polizei, Banken und Unternehmen als legitime Ziele der Revolte markierte und es für fast jede:n verständlich machte, warum es Sinn machte, sie anzugreifen. Trumps ausdrückliche Unterstützung für weiße Rassisten, seine fremdenfeindliche Grenzpolitik, seine Bemühungen, den Zugang zum Gesundheitswesen zu begrenzen, seine Entscheidungen zur Beschleunigung der Erderwärmung und seine Weigerung, den von Arbeitslosigkeit und COVID-19 bedrohten Menschen in irgendeiner Weise Unterstützung zu gewähren, haben gezeigt, dass wir alle vor einem Kampf auf Leben und Tod stehen – nicht nur diejenigen, die gesellschaftlichen Gruppen angehören, deren Angehörige regelmäßig von der Polizei ermordet werden.

Vielleicht ist der Tag doch am nächsten, wenn die Nacht am tiefsten ist.

Bei Redaktionsschluss dieses Buches hoffen wir in den Vereinigten Staaten, dass wir den Höhepunkt der globalen Welle der Reaktion, die Trump an die Macht gebracht hat, bereits überschritten haben. Aber die Kämpfe der Zukunft werden auch weiterhin dreiseitig geführt werden, wobei autonome soziale Bewegungen gegen neoliberale Extremist:innen der Mitte antreten werden, die die ›unparteiische Rechtsstaatlichkeit‹ wiederherstellen wollen, und gegen rechtsextreme Nationalisten, die die rückläufige Phase des Kapitalismus überstehen wollen, indem sie neu definieren, wessen Interessen der Staat dienen soll. Beide Seiten machen Vorschläge, wie Kapitalismus und Staat erhalten werden können; sie unterscheiden sich nur darin, wie Gewalt und Leid verteilt werden sollen. Dennoch dürfen wir nicht den Fehler machen, unsere Strategie so aufzubauen, als befänden wir uns in einem binären Konflikt. Jeder dieser Gegner würde davon profitieren, wenn wir uns nur darauf konzentrieren würden, den anderen auszuschalten, sodass sie sich darauf konzentrieren könnten, uns auszuschalten. Wir müssen auf eine Weise kämpfen, die zeigt, was die Mitte und Nationalisten gemeinsam haben, und die zeigt, was unsere Vorschläge für die Zukunft auszeichnet.

Das Streben nach Autonomie stand im Mittelpunkt vieler der Kämpfe der letzten zwei Jahre, wenn auch in der verzerrten Form der Forderung nach unabhängiger nationaler Souveränität. Kaschmir strebt die Unabhängigkeit von Indien an; Hongkong strebt die Autonomie von China an; Katalonien strebt die Autonomie von Spanien an; Rojava strebt die Autonomie von Syrien an, und die ganze Welt – die Türkei, Syrien, die Vereinigten Staaten, Russland und die Vereinten Nationen – konspiriert, um es zu zerschlagen. Die nationale Unabhängigkeit – die die internen Hierarchien der imperialistischen Nationen im Kleinen reproduziert – ist nicht die Lösung für diese Konflikte. Konflikte zwischen Nationen sind eine Domäne des Staates, unabhängig davon, ob die betreffenden Nationen von den Vereinten Nationen formell anerkannt worden sind oder nicht. Bei der Autonomie geht es nicht darum, sich von anderen zu trennen, sondern darum, horizontale Beziehungen der gegenseitigen Hilfe und der kollektiven Verteidigung herzustellen, die stark und weitreichend genug sind, um Angriffen standzuhalten.

In dem Maße, wie sich die Konflikte unserer Zeit verschärfen, wird es verlockend sein, zur Militarisierung unserer Bewegungen zu tendieren, aber dies stellt aus dem gleichen Grund eine Sackgasse dar, aus dem auch das Streben nach nationaler Unabhängigkeit eine Sackgasse ist. Kurzfristig geht die Führung in militärischen Konflikten an denjenigen, der am meisten Zugang zu Waffen hat, wie wir bei der syrischen Revolution gesehen haben; langfristig wird der Ausgang solcher Konflikte von der Partei bestimmt, die die größte Luftwaffe hat, wie wir im anschließenden syrischen Bürgerkrieg gesehen haben. »Die Kraft des Aufstands ist sozial, nicht militärisch«, wie die italienischen Aufständischen schrieben. Unser Ziel sollte nicht darin bestehen, mit dem Staat auf seinem eigenen Territorium, dem Feld der militärischen Eroberung, zu konkurrieren, sondern alle Bedürfnisse und Wünsche zu identifizieren, die der Staat nicht erfüllen kann – eine enorme Zahl heutzutage, wo Regierungen wenig tun können, um die Auswirkungen des Kapitalismus zu mildern – und diese als Ausgangspunkt für ansteckende Aufstände an der Basis zu nehmen, um so unregierbar zu werden.

Wenn wir Revolution statt Krieg wollen, müssen wir uns auf beiden Seiten jeder Grenze organisieren. Das gilt, neben der der nationalen Staatsbürgerschaft, auch für jede andere Form der Identität. Wir müssen versuchen, den Widerstand gegen die Herrschaft über alle Grenzen – nationale, ›ethnische‹, religiöse – zu verbreiten und alle Formen konstruierter Identität zu überwinden. Das Einzige, was die Freiheit der Kurd:innen in Rojava sichern könnte, wäre eine Revolution in der Türkei; das Einzige, was die Freiheit der Menschen in Hongkong sichern könnte, wäre eine Revolution in China; das Einzige, was die Freiheit der Menschen in Syrien und übrigens auch in den baltischen Staaten sichern könnte, wäre eine Revolution in Russland; das Einzige, was die Freiheit der Menschen in Mexiko und Honduras und wahrscheinlich auch in Chile sichern könnte, wäre eine Revolution in den Vereinigten Staaten, ebenso wie das Einzige, was die Sicherheit der Schwarzen in jedem dieser Länder sichern könnte, die Abschaffung all der verschiedenen Formen der Polizeiarbeit wäre, die ›weiße Privilegien‹ aufrecht erhalten. Wir müssen unsere Bemühungen zum Aufbau von Verbindungen über all diese Gräben hinweg intensivieren, parallel zu unseren Bemühungen, die Fähigkeit zur kollektiven Selbstverteidigung aufzubauen – und diese beiden Projekte als ein und dasselbe verstehen.

Der Staat zeichnet sich durch Machtkonzentration, Assimilation, Unterordnung und Spaltung aus. Um eine Chance gegen ihn zu haben, müssen wir uns wie eine Hydra verhalten, die zerstreut, reproduziert, verbindet und sich vermehrt.

Dieses Buch enthält unsere Reflexionen über die Kämpfe, an denen wir in den letzten zehn Jahren teilgenommen haben – unsere Bemühungen, aus unseren Erfolgen und Misserfolgen zu lernen, das wahre Problem an der Wurzel jeder Situation zu erkennen und unser enormes Potenzial zu unseren eigenen Bedingungen bestmöglich zu nutzen. Möge es dir bei deinen Bemühungen, dasselbe zu tun, hilfreich sein.

Wie einige von uns um die Jahrhundertwende schrieben, als die Welt noch jung war: der beste Grund Revolutionär:in zu sein, ist, dass es einfach eine bessere Art zu leben ist.


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Anarchie

Wir haben Anfang 2015 in Zusammenarbeit mit Kollektiven auf fünf Kontinenten Alles verändern veröffentlicht. Die Idee war eine leicht zugängliche Einführung in anarchistisches Gedankengut anzubieten.

Insgesamt zirkulieren etwa 270.000 gedruckte Exemplare von To Change Everything in über 30 Sprachen (davon 50.000 auf Deutsch). Wir halfen den Verlegern in Brasilien, Argentinien, Rumänien und Slowenien, ihre Drucke zu finanzieren. Versionen in Arabisch und Farsi wurden während des ›langen Sommers der Migration‹ 2015 entlang der Balkanroute verteilt; wir sorgten auch dafür, dass Gefangenenunterstützungsgruppen Tausende von Exemplaren an Gefangene in den USA schickten. Eine kleine Anekdote am Rande: Soweit uns bekannt ist, scheint dies der einzige anarchistische Text zu sein, der in maltesischer Sprache gedruckt wurde.

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Revolutionäre Bewegung

Diese Textauswahl konzentriert viele unserer Schlussfolgerungen zur Strategie und Ethik der Bewegung, die sich im Laufe einer Zeit angesammelt haben, in der sich die Form des Protests in den Vereinigten Staaten dramatisch verändert hat.

Wir veröffentlichten Die Illegitimität der Gewalt, die Gewalt der Legitimität im März 2012, während der nachlassenden Phase von Occupy, als Antwort auf Liberale wie Chris Hedges, die einige Teilnehmer:innen angriffen, weil sie sich vermummten und sich gegen Polizeiangriffe verteidigten. Hedges’ Rhetorik tauchte wörtlich in den Mündern der Behörden wieder auf, als sie im Mai vor den Medien Erklärungen abgaben, in denen sie die Bemühungen des FBI erläuterten, Aktivist*innen in Cleveland und Chicago in die Falle zu locken. Die jahrelangen Gefängnisstrafen, die diese Aktivist:innen in der Folge verbüßten, zeigen, wie nützlich Hedges für die Bemühungen der US-Regierung war, die Bewegung zu unterdrücken.

Am einjährigen Jahrestag des Beginns von Occupy zwangen wir Hedges, vor tausend Menschen in New York City mit einem Mitglied unseres Kollektivs zu debattieren. Wir arrangierten die gleichzeitige Übertragung der Debatte bei Live-Vorführungen im ganzen Land. Dies zeigte, dass die Perspektive, die Hedges zu delegitimieren versuchte, zu mächtig war, um sie zum Schweigen zu bringen. Nur zwei Jahre später bestätigte der Aufstand in Ferguson, dass wir zu Recht argumentiert hatten, dass künftige Bewegungen, um effektiv zu sein, konfrontativ sein und Anonymität beinhalten müssten. Dieses Mal verstanden viele Menschen, warum die Demonstrant:innen Masken trugen und gegen die Polizei kämpften.

Mit der Konsens-Realität brechen erschien einige Wochen nach Die Illegitimität der Gewalt, die Gewalt der Legitimität. Es war das erste Kapitel von Terror Incognita, einer Reflexion über die Dynamik des aufständischen Begehrens – über die Kräfte, die es ansteckend machen oder seine Ausbreitung verhindern können.

Ende 2013 veröffentlichten wir Die Ruhe nach dem Sturm eine Artikelserie, in der wir darüber nachdachten, was Anarchist:innen in der Phase schwindender sozialer Bewegungen erreichen können – ausgehend von der Prämisse, dass Bewegungen nach ihrer Entstehung die meiste Zeit im Niedergang verbringen. Hier ist nur der einleitende Text enthalten. Die ursprüngliche Reihe enthält Fallstudien über Occupy in Oakland, die Studentenbewegung in Montréal und die Reihe von Streiks, Besetzungen und Unruhen, die zwischen 2010 und 2012 über Barcelona hereinbrach.

Die Aufstände gegen die Polizei und Rassismus, die mit der Revolte in Ferguson im August 2014 in das Rampenlicht der Weltöffentlichkeit traten, veränderten die Atmosphäre in den Vereinigten Staaten und die Art und Weise, wie die Menschen über Protestbewegungen dachten. Wir veröffentlichten Warum wir keine Forderungen stellen stellen im Frühjahr 2015, unmittelbar nach dem Aufstand in Baltimore als Reaktion auf die Ermordung von Freddie Gray, der bis Mai 2020 wohl der Höhepunkt der antipolizeilichen Aufstände war.

So etwas wie eine revolutionäre Regierung gibt es nicht und Gegen die Logik der Guillotine erschienen 2018 und 2019, mitten in der reaktionären Trump-Ära, als einige autoritäre Linke versuchten, den erfolgreichen Populismus der extremen Rechten nachzuahmen.

Wir kämpfen, weil es uns gefällt erschien an einem düsteren Zeitpunkt zu Beginn des Jahres 2018, als die Trump-Ära gerade erst begann und viele unserer Freund:innen, die am Tag seiner Amtseinführung protestiert hatten, mit teilweise jahrzehntelangen Haftstrafen bedroht wurden (und noch nicht klar war, ob und wie schlimm es werden würde).


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Streifzüge

Musik ist eine Waffe steht für unsere Reflexionen über unsere jahrzehntelangen Experimente, den Punk-Underground mit der internationalen anarchistischen Bewegung in Verbindung zu bringen. Die erste Version dieses Textes erschien in der Frühjahrsausgabe 2009 unserer halbjährlich erscheinenden Zeitschrift Rolling Thunder. Diese leicht überarbeitete Version erschien Ende 2018 auf unserer Website, als wir uns schließlich widerwillig daran machten, die gesamte Musik zu digitalisieren, die auf dem CrimethInc.-Plattenlabel (von den 1990er-Jahren bis in die frühen Jahre des 21. Jahrhundert) erschienen war.

Das Klima wandelt sich erschien erstmals im Dezember 2009 während der Demonstrationen vor der UN-Klimakonferenz »COP-15« in Kopenhagen. Wir haben es in unser Buch über den Kapitalismus, Work, aufgenommen, das auch in deutscher Sprache erschienen ist. Die Version in dieser Sammlung ist eine überarbeitete Übersetzung, die bisher noch nicht veröffentlicht wurde.

Verantwortung für uns selbst übernehmen erschien 2013. Es stellt einen weiteren Aspekt derselben Gespräche über Konsens und Verantwortungsübernahme dar, aus denen Mit der Konsens-Realität brechen hervorging.

Wie werden wir weitere Morde durch die Polizei verhindern? erschien am letzten Tag des Mai 2020, als die Revolte in Reaktion auf den Mord an George Floyd begann, sich im ganzen Land auszubreiten. Eine Zine-Version des Textes wurde während der verschiedenen Besetzungen und in den polizeifreien autonomen Zonen vom Juni 2020 weit verbreitet.


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Berichte

Wir veröffentlichten Von Deutschland nach Bakur Ende 2015, zu einem angespannten Zeitpunkt im Kampf in Rojava und der Türkei gegen den islamischen Staat und die Autokratie von Recep Tayyip Erdoğan. Tragischerweise wurde einer der Interviewten, mit dem wir auch an früheren Übersetzungen zusammenarbeiteten, von der türkischen Armee ermordet – und so schrieben wir 2019 Remembering Xelîl.

Das Virus überleben und der Folgetext Und nach dem Virus? erschienen im März und April 2020 als Reaktion auf COVID-19 und die staatlich angeordnete Quarantäne. Wir befürchteten, dass die durch die Pandemie ausgelöste Panik die Menschen zu einer autoritären Politik veranlassen würde, da sie eine starke Kontrolle von oben nach unten als einzige Möglichkeit sahen, um Massenopfer abzuwenden. Stattdessen verpfuschten die Regierungen der Staaten von China bis zu den Vereinigten Staaten ihre Reaktionen auf die Pandemie, während auf der ganzen Welt Basisnetzwerke entstanden, um gegenseitige Hilfsprojekte nach anarchistischen Prinzipien zu organisieren. Zu unserer Überraschung erreichte Das Virus überleben Hunderttausende von Menschen in sechzehn verschiedenen Sprachen. Offenbar waren die Menschen hungrig nach einer anarchistischen Alternative.

Schließlich bietet Die Belagerung des Dritten Polizeireviers in Minneapolis eine Analyse des historischen Angriffs auf das Polizeirevier im Mai 2020. Wir veröffentlichten sie Anfang Juni auf dem Höhepunkt der Bewegung als Reaktion auf die Morde an George Floyd, Breonna Taylor und zahlloser anderer Schwarzer. Es stellt ein notwendiges Korrektiv zu späteren liberalen Mystifikationen der Bewegung dar, die zu verbergen suchen, wie diverse, dezentralisierte, konfrontative Taktiken wesentliche Elemente ihrer wichtigsten Siege waren.

Wir können gegen die Polizei kämpfen und gewinnen. Wir können unsere eigenen Mittel zum Überleben organisieren und dem Staat entgegentreten. Gemeinsam können wir unser enormes ungenutztes Potenzial nutzen und das Leben schaffen, das wir verdienen. Vergessen wir das nie.


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Anarchie

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Revolutionäre Bewegung

Liebe Besetzende… Ein Brief von einigen, die ebenfalls wütend sind

CrimehtInc.: From Democracy to Freedom

Terror Incognita

Was sie meinen wenn sie von Frieden sprechen

Die Feuerrose ist zurückgekehrt! Der Kampf um die Straßen von Barcelona

Desert

Streifzüge

Auf crimethinc.bandcamp.com wurde sämtliche Musik, bei der CrimethInc. involviert war, kostenlos zur Verfügung gestellt. In der Terz (März 2021) ist ein Auszug erschienen

Hanna Poddig »Klimakämpfe«

e*vibes: »Wir arbeiten nicht mit Definitionsmacht«
zur Auseinandersetzung mit Männlichkeit: Boykott Magazin
- Zine: Konsens lernen

DIE DÜNNE BLAUE SCHNUR IST EINE BRENNENDE ZÜNDSCHNUR

Minneapolis: Jetzt hat dieser Kampf zwei Seiten. Was die Unruhen für die COVID-19-Ära bedeuten

Internationale Solidarität mit dem Aufstand in Minneapolis. Demonstrationen, Graffiti, Hacking und Riots auf sechs Kontinenten

Berichte

Ein Jahr seit der türkischen Invasion in Rojava: Interview mit Tekoşîna Anarşîst Zur anarchistischen Beteiligung am revolutionären Experiment in Nordost-Syrien

Bager Nûjiyan: Der Wahrheitssucher. Der auf eine andere Welt beharrte

  • Das Virus überleben… und nach dem Virus?:

Eine Textsammlung mit all unseren Texten dazu.

-Die Belagerung des Dritten Polizeireviers in Minneapolis :

Von Chile nach Minneapolis: Ein offener Brief. Globale Solidarität mit der Rebellion gegen Polizei und Rassismus

Werkzeuge und Taktiken der Portland Protests. Von Laubbläsern und Regenschirmen bis hin zu Lasern, Luftballons und Elektrowerkzeugen

Minneapolis: Jetzt hat dieser Kampf zwei Seiten. Was die Unruhen für die COVID-19-Ära bedeuten

Internationale Solidarität mit dem Aufstand in Minneapolis. Demonstrationen, Graffiti, Hacking und Riots auf sechs Kontinenten


Termine

  • Online-Lesung am 16.12.2020:

twitter.com/BlackMosqCrew/status/1338786593537187844


Buchbesprechungen

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Multimedia

  • Buchvorstellung auf soundcloud

  • »Verantwortung für uns selber übernehmen« als Audio:

online und Download auf soundcloud

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