Was wäre, wenn keine*r arbeiten würde? Sweatshops würden sich leeren und Fließbänder zum Stillstand kommen, zumindest jene, die Sachen produzieren, die keine*r freiwillig machen würde. Telefonwerbung würde aufhören. Jämmerliche Individuen, die sich nur dank Rang und Reichtum gegen andere durchsetzen können, müssten anfangen ihre sozialen Fähigkeiten zu verbessern. Verkehrsstaus würden ebenso ausbleiben wie Ölkatastrophen. Geldscheine und Bewerbungsschreiben würden nur noch als Anzündpapier Verwendung finden, während die Leute auf Tauschen und Teilen zurückgreifen. Gras und Blumen würden aus den Fugen der Gehsteige wachsen und damit eventuell Platz für Obsttbäume schaffen.
Und wir würden alle verhungern. Aber wir ernähren uns nicht wirklich von Papierkram und Leistungsbewertungen, oder? Die meisten Sachen, die wir für Geld machen, sind für unser Überleben offensichtlich irrelevant – vom Sinn des Lebens ganz abgesehen.
Die ist ein Auszug aus Work, unserem Buch über den zeitgenössischen Kapitalismus.
Das hängt davon ab was du mit „Arbeit“ meinst. Denk daran wie viele Menschen zum Spaß Gärtnern, Angeln, Tischlern, Kochen und sogar Programmieren. Was wenn diese Arten von Aktivitäten all unsere Bedürfnisse abdecken könnten? Seit Hunderten von Jahren behaupten Leute, dass der technische Fortschritt die Menschheit bald von der Notwendigkeit zu arbeiten befreien würde. Heutzutage haben wir Kapazitäten, die sich unsere Vorfahren nicht hätten vorstellen können, aber diese Vorhersagen sind immer noch nicht wahr geworden. In den USA arbeiten wir faktisch länger als wir es vor ein paar Generationen getan haben – die Armen um zu überleben; die Reichen um am Wettbewerb teilzunehmen. Andere suchen verzweifelt nach einer Anstellung und können nur schwerlich die komfortable Freizeit, die uns all dieser Fortschritt bieten sollte, genießen. Während von Rezession und notwendigen Sparmaßnahmen die Rede ist, verzeichnen Unternehmen Rekord-Gewinne: Die Reichsten sind reicher als je zuvor und enorme Mengen von Waren werden produziert, um einfach weggeschmissen zu werden. Es gibt einen Überfluss an Wohlstand, aber er wird nicht dazu genutzt die Menschheit zu befreien.
Was für ein System produziert Überfluss und hält uns gleichzeitig davon ab das Beste daraus zu machen? Die Verteidiger*innen der freien Marktwirtschaft behaupten es gäbe keine andere Möglichkeit und solange unsere Gesellschaft auf diese Weise organisiert ist, gibt es die tatsächlich nicht.
Vor langer Zeit, als es noch keine Stempelkarten und kein Kantinenessen gab, wurde alles ohne Arbeit erledigt. Die natürliche Welt, die unsere Bedürfnisse abdecken konnte, war noch nicht zerstückelt und privatisiert. Wissen und Fähigkeiten waren nicht die exklusive Domäne von lizenzierten Expert*innen, als Geiseln in teuren Institutionen gehalten; Zeit wurde nicht in produktive Arbeit und konsumierbare Freizeit aufgeteilt. Wir wissen das, weil die Arbeit erst vor ein paar Tausend Jahren eingeführt wurde, Menschen aber gibt es schon seit Hunderttausenden von Jahren. Uns wurde erzählt, dass das Leben damals „einsam, ärmlich, scheußlich, brutal und kurz war“ – aber diese Darstellung kommt von denjenigen, die diese Art zu Leben ausgemerzt haben, nicht von denjenigen die sie ausgeübt haben.
Das soll nicht heißen, dass wir in diese Zeit zurück sollten oder könnten – nur dass die Dinge nicht so sein müssen wie sie gerade sind. Wenn unsere fernen Vorfahren uns heute sehen könnten wären sie vermutlich begeistert von einigen unserer Erfindungen und entsetzt von anderen, aber sie wären sicherlich schockiert darüber wie wir sie anwenden. Wir haben diese Welt durch unsere Lohnarbeit erschaffen, und ohne bestimmte Hindernisse würden wir sicherlich eine bessere aufbauen. Das würde nicht bedeuten uns von allem abzuwenden, das wir gelernt haben. Es bedeutet schlicht, uns von allem Erlernten abzuwenden, von dem wir erfahren haben, dass es nicht funktioniert.
Mensch kann kaum bestreiten, dass Arbeit produktiv ist. Nur ein paar Tausend Jahre mit ihr haben die Oberfläche der Erde dramatisch verändert.
Aber was genau erzeugt Arbeit? Milliarden Einweg-Essstäbchen, Laptops und Handys, die innerhalb weniger Jahre veraltet sind. Berge von Müll und Tonnen über Tonnen FCKW. Fabriken, die einrosten werden, sobald Arbeitskraft woanders billiger ist. Supermarktcontainer, die überquellen, während eine Milliarde Menschen an Unterernährung leidet, medizinische Behandlungen, die sich nur Reiche leisten können; Romane, Philosophien und Kunstbewegungen, für die die meisten von uns in einer Gesellschaft, die Wünsche unter Profitinteressen und Bedürfnisse unter Eigentumsrechte stellt, einfach keine Zeit haben. Und wo kommen die Ressourcen für all diese Produkte her? Was passiert mit den Ökosystemen und den Gemeinschaften, die ausgeplündert und ausgebeutet werden? Sollte Arbeit produktiv sein, destruktiv ist sie auf jeden Fall.
Arbeit produziert keine Waren aus dem Nichts, sie ist kein Zaubertrick. Im Gegenteil: Sie nimmt Rohstoffe aus der Biosphäre – einem gemeinsamen Schatz, der von allen lebenden Wesen geteilt wird – und verwandelt sie in Produkte, angetrieben durch die Logik des Marktes. Für diejenigen, die die Welt nur in Form von Bilanzen betrachten ist dies ein Fortschritt, aber der Rest von uns sollte ihnen nicht glauben.
Kapitalist*innen und Sozialist*innen haben es immer als gegeben vorausgesetzt, dass Arbeit Wert produziert. Arbeiter*innen müssen eine andere Möglichkeit in Betracht ziehen: das Arbeiten Wert verbraucht. Darum werden die Wälder und Eiskappen während unserer Lebenszeit konsumiert: Die Schmerzen, die wir in unseren Körpern spüren, wenn wir von der Arbeit nach Hause kommen, sind ein Abbild der globalen Zerstörung.
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Was sollten wir produzieren, wenn nicht diesen ganzen Krempel? Nun, wie wäre es mit dem Glück selbst? Können wir uns eine Gesellschaft vorstellen, in der das primäre Ziel unserer Aktivitäten unsere Lebensqualität ist? In der es eher darum geht, die Mysterien des Lebens zu erforschen als Reichtum anzuhäufen oder in der Konkurrenz zu bestehen? In einer solchen Gesellschaft würden wir selbstverständlich immer noch Waren produzieren, aber nicht um um den Profit zu konkurrieren. Festivals, Feiertage, Philosophie, Romantik, kreatives Streben, Kindererziehung, Freundschaft, Abenteuer – können wir uns das als Lebensmittelpunkt vorstellen, statt diese Dinge in unsere knappe Freizeit zu packen? Heutzutage ist es umgekehrt – unsere Auffassung von Glück wird als ein die Produktion steigerndes Mittel konstruiert. So wundert es wenig, dass die Produkte uns aus der Welt drängen.
Arbeit kann nicht einfach dort Reichtum herstellen, wo vorher nur Armut war. Im Gegenteil bereichert sie die einen auf Kosten der anderen, schafft also ebenfalls Armut, proportional zum erwirtschafteten Profit.
Armut ist kein objektiver Zustand, sondern eine Beziehung, hervorgerufen durch ungerechte Verteilung von Ressourcen. In Gesellschaften, in denen alle alles teilen, gibt es so etwas wie Armut nicht. Knappheit kann es dennoch geben, aber keine*r muss die Demütigung ertragen, verzichten zu müssen, während andere im Überfluss leben. Da sich Profit bei einigen wenigen anhäuft, während die Schwelle des Kapitals, dass nötig ist, um Einfluss in der Gesellschaft auszuüben, weiter und weiter ansteigt, verschlimmert sich auch die lähmende Wirkung der Armut. Dabei handelt es sich um eine Form der Verbannung, genauer gesagt, der brutalsten Form der Verbannung, weil mensch in der Gesellschaft bleibt und gleichzeitig von dieser ausgeschlossen wird. Es gibt weder die Möglichkeit, an ihr teilzuhaben, noch ihr zu entkommen.
Arbeit schafft Armut nicht nur als Nebenprodukt von Reichtum – Reichtum wird in den Händen einiger weniger gesammelt, während die Armut weit und breit verteilt wird. Für jeden Bill Gates gibt es Millionen Menschen, die unter der Armutsgrenze leben; für jeden ‘Shell’-Konzern braucht es ein Nigeria. Je mehr wir arbeiten, desto mehr Profit wird aus unserer Arbeit gezogen und desto ärmer sind wir verglichen mit unseren Ausbeuter*innen.
Zusätzlich zur Schaffung von Reichtum macht Arbeit Menschen also arm. Und dass allein schon, ohne all die anderen Arten, auf die Arbeit uns arm macht, zu berücksichtigen: arm an Selbstverwirklichung, arm an Freizeit, arm an Gesundheit, arm an Selbstbewusstsein, das über Karriere und Kontostand hinausgeht und arm im Geiste.
Du musst arbeiten, um leben zu können.
Schätzungen über „Lebenshaltungskosten“ sind irreführend, denn Leben kann mensch das kaum nennen! „Arbeitskosten“ trifft es eher, und die sind alles andere als billig.
Jede*r weiß, wie Putzhilfen und Geschirrspüler*innen dafür zahlen, das Rückgrat unserer Wirtschaft zu sein. Die Geißeln der Armut – Sucht, zerbrochene Familien, schlechte Gesundheit – sind absolut üblich; diejenigen, welche dennoch überleben und es meistern, rechtzeitig zur Arbeit zu erscheinen, sind arbeitende Wunder. Stellt euch vor, was diese Menschen alles erreichen könnten, wenn sie ihre Kraft frei anderweitig einsetzen könnten, und nicht, um die Profite ihrer Arbeitgeber*innen zu steigern.
Und die Arbeitgeber*innen, die das Glück haben, weiter oben in der Pyramide zu stehen? Mensch könnte meinen, ein höheres Gehalt zu bekommen, bedeute mehr Geld und damit auch mehr Freiheit, aber so einfach ist das nicht. Jeder Job beinhaltet versteckte Kosten: Die Geschirrspülerin muss die täglichen Busfahrten zu und von der Arbeit bezahlen, während der Firmenanwalt jederzeit bereit sein muss, binnen Augenblicken am Flughafen zu sein, um wohin auch immer zu fliegen; für die etwas formloseren Treffen sollte er Mitglied im Golfclub sein und natürlich ein ansehnliches Anwesen besitzen, um dort Gäste zu empfangen, die gleichzeitig seine Klienten sind. Das macht es auch so schwierig für die Arbeiter*innen der Mittelklasse genug Geld zu sparen, um zu kündigen und aus der Tretmühle auszusteigen, während sie anderen einen Schritt voraus sind: Anderen wirtschaftlich einen Schritt voraus sein zu wollen bedeutet auf der Stelle zu treten. Bestenfalls gelingt der Wechsel auf ein schickeres Laufband, aber um darauf bleiben zu können, muss mensch auch schneller rennen.
Und diese, lediglich finanziellen Kosten des Arbeitens sind noch harmlos verglichen mit all den anderen Kosten des Arbeitens. In einer Umfrage wurde ein bunter Querschnitt der Gesellschaft gefragt, wie viel Geld sie bräuchten, um so zu leben, wie sie es gern würden; egal ob Klempner*in oder Bänker*in, alle meinten sie bräuchten ungefähr das Doppelte ihres jetzigen Einkommens. Geld ist also nicht nur schwierig zu bekommen, sondern auch, wie jede Suchtdroge, immer und immer weniger zufriedenstellend. Je höher mensch in der Hierarchie aufsteigt, desto mehr muss mensch kämpfen, um nicht abzustürzen. Der reiche Geschäftsführer muss sich seiner aufmüpfigen Leidenschaften und seines Gewissens entledigen, muss sich selbst überzeugen, dass er es verdient, besser dran zu sein, als all die Unglücklichen, die für ihn arbeiten, muss sich zügeln, nachzudenken, wie es wäre, in der Haut der anderen zu stecken; wenn nicht, dauert es nicht lange, bis er von einer rücksichtsloseren Konkurrentin abgelöst wird. Sowohl Büroarbeiter*innen, als auch Handwerker*innen müssen sich selbst aufopfern, um die Jobs zu behalten, die sie am Leben erhalten. Der Unterschied ist lediglich, dass sich die einen im Geiste und die anderen körperlich zerstören.
All diese Kosten trägt jede*r einzelne von uns, aber wir bezahlen auch global einen hohen Preis. Neben der Zerstörung der Umwelt ist die Welt voll von arbeitsbedingten Krankheiten, Verletzungen und Todesfällen. Jedes Jahr bringen wir Tausende um die Ecke, um den Überlebenden Hamburger und Wellness-Club-Mitgliedschaften zu verkaufen. Das US-Ministerium für Arbeit berichtet, dass 2001 doppelt so viele Menschen durch schwere Arbeitsunfälle starben, als bei den Terroranschlägen ums Leben kamen. Dabei sind arbeitsbedingte Krankheiten noch nicht berücksichtigt. Am teuersten bezahlen wir damit, nie lernen zu können, unser Leben selbst zu steuern, nie die Frage zu stellen oder gar zu beantworten, was wir mit unserer Zeit auf diesem Planeten anfangen würden, wenn wir frei entscheiden könnten. Wir können nicht wissen, was wir verpassen, dadurch, dass wir uns auf eine Welt einlassen, in der die Menschen zu beschäftigt, zu arm oder zu niedergeschlagen sind, sich mit solchen Fragen zu beschäftigen.
Wenn es uns so viel kostet, warum arbeiten wir dann noch? Jede*r kennt die Antwort – es gibt keine andere Möglichkeit, uns die Ressourcen zu beschaffen, die wir brauchen um zu überleben und Teil der Gesellschaft zu sein. Alle früheren Gesellschaftsformen, die auch andere Lebensweisen ermöglichten, wurden ausgelöscht, niedergetreten von Eroberern, Sklav*innen-Händlern und Firmen, die weder Stamm noch Tradition noch Umwelt verschont ließen. Entgegen der kapitalistischen Propaganda arbeiten freie Menschen nicht für Hungerlöhne in Fabriken, solange sie eine andere Wahl haben, nicht einmal für Markenschuhe und Software.
Durch unser Arbeiten, Einkaufen und Rechnungen-Bezahlen tragen wir alle dazu bei, die Zustände, die eben diese Aktivitäten nötig machen, weiter zu verfestigen. Der Kapitalismus überlebt nur, weil wir alles in ihn investieren: unsere Kraft und unsere Vorstellungskraft in den Markt, unser Geld im Supermarkt und an der Börse, und unsere Aufmerksamkeit in die Medien. Genauer gesagt, existiert der Kapitalismus, weil unser tägliches Tun Kapitalismus ist. Aber würden wir damit weitermachen, wenn wir fühlen würden, eine andere Wahl zu haben?
Arbeit ist ein Weg zur Erfüllung.
Im Gegenteil: statt uns zu ermöglichen, Zufriedenheit zu erlangen, fördert Arbeit die schlimmste Form der Selbstverleumdung.
Schon von Kindheit an werden wir darauf konditioniert uns Lehrer*innen, Chefs, den Anforderungen des Marktes, - ganz zu Schweigen von Gesetzen, elterlichen Erwartungen, religiösen Schriften und sozialen Normen - zu beugen, unsere Wünsche aufzuschieben. Anweisungen zu befolgen, egal ob diese nun in unserem eigenen Interesse sind oder nicht, wird zu einem unterbewussten Reflex; den Ratschlägen der Expert*innen zu folgen, wird zur zweiten Natur.
Unsere Zeit zu verkaufen, statt die Dinge zu tun, die uns selbst wichtig sind, bringt uns dazu, unser Leben daran zu beurteilen, wie viel wir im Tausch dafür bekommen können, und nicht daran, was wir selbst aus unseren Leben machen können. Als freiberufliche Sklav*innen, unser Leben stundenweise verkaufend, sehen wir uns selbst mit einem Preis versehen; die Höhe des Preises wird zu unserem Wert, wir werden zu Waren, so wie Zahnpasta und Toilettenpapier. Was einmal ein Mensch war, ist nun ein*e Angestellte*r, so wie das, was mal ein Schwein war nun Schweinebraten ist. All unsere Leben verschwinden, ausgegeben, genau wie das Geld, gegen das wir sie eintauschen.
Oft gewöhnen wir uns so sehr daran, Dinge, die uns etwas bedeuten aufzugeben, dass Aufopferung zur einzigen Möglichkeit wird, zu zeigen, dass uns etwas wichtig ist. Wir werden zu Märtyrer*innen der Ideen, Angelegenheiten, Nächstenliebe, wo diese uns doch eigentlich Freude schaffen sollten. In manchen Familien wird beispielsweise versucht Zuneigung zu beweisen, durch einen Wettbewerb darum, wer am meisten für die anderen aufgibt. Befriedigung wird nicht nur verzögert, sondern über Generationen aufgeschoben. Die Verantwortung, endlich die angeblich über Jahre undankbarer Quälerei angehäuften Freuden zu genießen, wird an die Kinder abgetreten; wenn diese dann aber erwachsen werden, müssen auch sie anfangen, sich ihre Finger wund zu arbeiten.
Das muss ein Ende haben.
Arbeit fördert Eigeninitiative.
Heutzutage arbeiten die Menschen hart, keine Frage. Die Zugänglichkeit zu Ressourcen an die persönliche Leistung zu koppeln, hat nie dagewesene Produktivkraft und technologischen Fortschritt gebracht. Sogar den Zugriff auf unsere eigene Kreativität hat der Markt so weit monopolisiert, dass viele nicht mehr nur arbeiten, um überleben zu können, sondern um etwas zu tun zu haben. Was wird uns da als Eigeninitiative verkauft?
Lasst uns auf das Thema der Erderwärmung zurückkommen, eine der wohl ernsthaftesten Krisen dieses Planeten. Nach Jahrzehnten der Verleumdung haben Politiker*innen und Geschäftsmänner nun endlich eingelenkt und tun etwas deswegen. Und was? Sie suchen nach Wegen, Profit daraus zu schlagen! CO2-Zertrifikate, „saubere“ Kohle, „grüne“ Investitionsfirmen – glaubt eigentlich ernsthaft irgendwer, dies seien effektive Wege, Treibhausgasemissionen einzuschränken? Absurd, dass eine vom kapitalistischen Konsum verursachte Krise benutzt werden kann, um den Konsum weiter anzutreiben, aber es verrät viel über die Art der Initiative, die wir durch Arbeit lernen. Wer würde, mit der Aufgabe konfrontiert, die Auslöschung des Lebens auf der Erde zu stoppen, mit der Frage „Ja klar, aber was springt für mich dabei heraus?“ antworten?
Wenn alles in unserer Gesellschaft dem Profit unterliegt, handelt es sich wohl nicht um Eigeninitiative, sondern eher um etwas anderes. Wirklich Initiative zu ergreifen, für neue Werte und neue Verhaltensweisen einzutreten, ist den erfolgreichen Geschäftsleuten und den lustlosen Angestellten gleichermaßen fremd. Was wäre, wenn Arbeit - unabhängig davon, wem mensch die eigene Kreativität veräußert, ob nun Vorgesetzten oder Kund*innen - die Eigeninitiative in Wirklichkeit auslöscht?
Beweise dafür lassen sich reichlich finden, auch außerhalb der Arbeitswelt. Wie viele derer, die niemals bei der Arbeit fehlen, schaffen es nicht rechtzeitig zur Bandprobe? Die Kapitel für den Lesekreis zu Ende zu lesen schaffen wir selten, aber die Hausaufgaben werden selbstverständlich rechtzeitig eingereicht. Das, was wir wirklich mit unserem Leben anfangen wollen, landet ganz unten auf der To-do-Liste. Die Fähigkeit, unsere Verpflichtungen zu erfüllen, wird zu etwas außerhalb von uns selbst, verbunden mit externen Belohnungen oder Bestrafungen.
Stellt euch nun einfach eine Welt vor, in der alles, was Menschen tun, passiert, weil sie es tun möchten, weil es ihnen persönlich ein Anliegen ist. Für Chefs, die Probleme mit der Motivation antriebsloser Angestellter haben, ist es unvorstellbar, dass Menschen genau so angestrengt wie sie selbst an einem Projekt arbeiten. Das ist jedoch kein Beweis, dass ohne Chefs und Gehälter nichts fertiggebracht würde, es zeigt lediglich, wie die Arbeit uns unserer Initiative beraubt.
Mal angenommen, du hast eine Arbeit, die dich weder verletzt, vergiftet noch krank macht. Lass uns auch davon ausgehen, dass die Wirtschaft nicht zusammenbricht und deinen Job und die Ersparnisse mit sich reißt, und dass Ärmere als du dich ausrauben und verletzen. Trotzdem bleibt die Unsicherheit, ob du nicht vielleicht bei der nächsten „Personalkürzung“ deiner Firma entlassen wirst. Heutzutage ist es nicht mehr üblich, das ganze Leben bei derselben Firma beschäftigt zu sein; mensch arbeitet irgendwo einige Jahre, bis jüngere und günstigere Nachfolger*innen eingestellt werden, oder der Arbeitsplatz ins billigere Ausland verlagert wird, da kann mensch sich noch so sehr anstrengen, der oder die Beste zu sein.
Du bist davon abhängig, dass dein*e Arbeitgeber*in gerissen entscheidet, um weiterhin in der Lage zu sein, deinen Gehaltscheck auszustellen. Etwas zu viel Überheblichkeit und das Geld, dass eigentlich dein Lohn sein sollte, ist schon anderweitig ausgegeben. Diese Gerissenheit des Arbeitgebers kann sich schnell zu deinem Nachteil entwickeln: Diejenigen, von deren Entscheidungen du abhängst, sind nicht in ihrer Position, weil sie so gefühlvoll sind. Falls du selbstständig bist, kennst du die Tücken des Marktes sicherlich auch.
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Aber was könnte echte Sicherheit schaffen? Vielleicht Teil einer Gemeinschaft zu sein, in der die Menschen füreinander sorgen, eine Gemeinschaft, basierend auf gegenseitiger Unterstützung und nicht auf finanziellem Nutzen. Doch eines der größten Hindernisse beim Aufbau einer solchen Gemeinschaft in der heutigen Zeit ist die Arbeit.
Wer hat die meisten Ungerechtigkeiten der Geschichte ausgeübt? Angestellte. Unnötig zu sagen, dass sie dafür auch Verantwortung tragen, auch wenn sie das selbst nur ungern einsehen.
Entbindet das Erhalten eines Gehalts etwa von der Verantwortung für die Taten? Die Arbeit scheint zu dieser Annahme zu verleiten. Die Verteidigung in den Nürnberger Prozessen „Ich habe nur Befehle ausgeführt“ war der Leitsatz und die Ausrede von Millionen Angestellten. Das allgemein übliche Ablegen des Gewissens zu Arbeitsbeginn – sich dadurch zur Söldner*in zu machen – ist eines der essentiellen Probleme unserer Spezies.
Auch ohne Befehle haben Menschen schlimme Dinge getan, aber lange nicht so viele, wie mit. Mit eigenständig handelnden Menschen kann mensch diskutieren, die Einsicht, selbst für die getroffenen Entscheidungen verantwortlich zu sein, wird hier akzeptiert. Angestellte hingegen können unglaublich dumme und zerstörerische Dinge tun, ohne über die Konsequenzen nachzudenken.
Doch das wahre Problem sind nicht die Angestellten, die keine Verantwortung für ihre Taten übernehmen wollen, sondern das Wirtschaftssystem, dass es so verboten teuer macht Verantwortung zu übernehmen.
HINWEIS: Vor der Rückkehr zur Arbeit sind die Hände in Unschuld zu waschen.
Angestellte schmeißen Giftmüll in Flüsse und Ozeane.
Angestellte schlachten Kühe und experimentieren an Affen herum.
Angestellte schmeißen tonnenweise Lebensmittel weg.
Angestellte zerstören die Ozonschicht.
Sie verfolgen jede deiner Bewegungen mit Überwachungskameras.
Sie räumen dich, wenn du deine Miete nicht zahlst.
Sie verhaften dich, wenn du keine Steuern zahlst.
Sie erniedrigen dich, wenn du deine Hausaufgaben nicht machst oder zu spät zur Arbeit kommst.
Sie geben deine privaten Informationen an Kreditunternehmen und Geheimdienste weiter.
Sie ziehen Strafen wegen überhöhter Geschwindigkeit ein und schleppen dein Auto ab.
Sie verwalten Leistungstests, Jugendstrafanstalten und Todeszellen.
Die Soldaten, die massenweise Menschen in die Gaskammern schlossen, waren Angestellte.
So wie auch die im Irak und in Afghanistan stationierten Soldat*innen.
So wie auch die Selbstmordattentäter, die diese angreifen – Angestellte von Gott, auf Bezahlung im Paradies hoffend.
Immerhin habe ich die Hypothek
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Um es klar zu stellen – die Kritik an der Lohnarbeit bedeutet nicht Arbeit, Fleiß, Ambitionen oder Verbindlichkeiten abzulehnen. Das bedeutet nicht, dass alles einfach und spaßig sein sollte. Gegen die Kräfte, die uns zur Lohnarbeit zwingen, zu kämpfen ist harte Arbeit. Faulheit ist nicht die Alternative zur Arbeit, obwohl sie vielleicht ein Nebenprodukt ist.
Die Schlussfolgerung ist simpel: dass alle es verdienen, nach eigenem Ermessen das meiste aus ihrem Potential zu machen; dass wir alle über unser Schicksal selber bestimmen können. Gezwungen zu sein all dies zu verkaufen um zu Überleben ist tragisch und erniedrigend.
So müssen wir nicht leben.